Reiselust und Straßensperren

■ »A voyage around« — afrikanische Autoren und Musiker im Haus der Kulturen der Welt

»Die Reise verlief in absoluter Stille, will heißen allein begleitet vom knallenden Lärm des Auspuffs.«

(aus: Pabé Mongo, »Straße gesperrt«)

Eine kleine Geschmacklosigkeit, über die man lieber nicht länger nachdenkt, weil daraus sonst eine große wird: Besucher, die dieser Tage die 10-Jahre-Zimbabwe- Ausstellung im Haus der Kulturen der Welt anschauen wollen, werden auf einem fotokopierten Zettel an der Eingangstür um Verständnis dafür gebeten, daß die Exponate schon vorzeitig eingepackt werden mußten. Die Kongreßhalle ist nämlich während des Vereinigungsspektakels als Pressezentrum auserkoren worden. Und so werden die »literarisch-musikalischen Streifzüge« durch »afrikanische Welten« ihres Rahmenprogramms beraubt und bereichern statt dessen die skurrile Geschichte der Begegnungen afrikanischer und deutscher Schriftsteller in der Kongreßhalle um eine weitere Anekdote. Das erste Treffen fand 1965 statt, wie man später erfuhr unter der Schirmherrschaft der CIA ...

»Dann bringe ich das ‘Krooklock‚, die Diebstahlssperre, an, die aber keine gewöhnliche Diebstahlssperre ist. Ich habe sie nämlich in Bahrein gekauft, mit einer Gebrauchsanweisung in reinstem Arabisch! Danach lasse ich bei allen Reifen die Luft ab. Auch beim Reservereifen. Aber das ist noch nicht alles. Mit Hilfe von Freunden aus der Technikabteilung ist es mir gelungen, einen Schnell-Benzinablasser zu konstruieren. [...] Dank eines bequem in Griffnähe gelegenen Knöpfchens kann man das ganze Benzin im Tank sekundenschnell ablassen.« Der Erzähler in Bankole Omosotos Tagebuch eines Autors: Damit's auch sicher ist hat sich einen PKW gekauft, den es umständlichst vor Diebstahl zu schützen gilt. Was seine Reisen eigentlich einfacher, sicherer und angenehmer als die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln machen sollte, wird zur kunstvollen Selbstfesselung an einen Ort. Eine Parabel vielleicht. Oder ein Zitat, das sich mit dem von John Mortimer geliehenen Zitatmotto zur ganzen Veranstaltung, A voyage around, intertextuell-sinnstiftend verknüpfen läßt. Eine Reise, die im Unterschied zu den endlos-horizontalen Autofahrten in amerikanischen Roadmovies auch über die unterirdischen, vertikal-historischen Straßen führt.

Bankole Omosoto zählt sich selbst zu der neuen Generation afrikanischer Schriftsteller, die sich vor einem beispielsweise europäischen Publikum nicht mehr dafür rechtfertigen wollen, wenn sie in der Sprache der ehemaligen Kolonisatoren schreiben. Oder wenn sie gerne Wagner und Schubert hören und damit die ihnen zugewiesene Rolle als authentisch-afrikanische Künstler zu spielen ablehnen. In Abgrenzung zu vorangegangenen Schriftstellergenerationen möchten sie ihre Romane und Gedichte »befreien« — von dem (kommerziellen) Zwang, »fiktionalisierte Landeskunde« (Peter Ripken) zu verfassen oder immer nur Sprachrohr für eine oftmals stumme Opposition in totalitär regierten Ländern sein zu müssen. Mit diesem Selbstverständnis, so Bankole Omosoto, bestünde für die Autoren der sogenannten »dritten Generation« allerdings die Gefahr, zum Opfer der Fülle afrikanischer Geschichte zu werden. Wie strapazierfähig ist die Geduld und die Bereitschaft beispielsweise deutscher Verleger und Leser, sich auf wirklich fremde Literatur einzulassen, auf Texte, die sich nicht mehr nur darum bemühen, den Europäern Afrika zu erklären? Bezeichnend, daß im »Pressegespräch« mit Tsitsi Dangaremba, Pabé Mongo und Bankole Omosoto viel ausführlicher über die französische Außenpolitik von Herrn Mitterrands Sohn oder über die 75 (!) Parteien bei den Kommunalwahlen in Gabun geredet wurde als über die Texte der anwesenden Autoren. Das aber war vielleicht gar nicht so falsch, denn auf unangenehm-unpädagogische Weise hat genau dies Lust auf die Lesungen, auf die Lektüre jener neuen afrikanischen Texte gemacht, die auf eindeutige, einfache Intentionalität verzichten. Ein paar davon hat das Haus der Kulturen der Welt anläßlich von A voyage around in Buchform herausgegeben. Für 10 DM kann man die Anthologie kaufen, darin die zuweilen etwas holprig daherkommenden Übersetzungen lesen, eher zum Kennenlernen oder als Erinnerung an die Lesungen und vielleicht zum Ankreuzen von ein paar Titeln im bibliographischen Anhang, da, wo man auch die schönen Porträts der Autoren studieren kann.

Zu A voyage around sind berühmte und noch nicht so berühmte Schriftsteller aus Kamerun, Nigeria und Zimbabwe eingeladen. Am Mittwoch abend wird der Nobelpreisträger für Literatur, Wole Soyinka aus Nigeria, mit Heiner Müller über die »Rolle des Theaters in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche« sprechen, Donnerstag geht es um Literatur im südlichen Afrika. Es lesen Shimmer Chinodya, Tsitsi Dangaremba und Chenjerai Hove — alle drei aus Zimbabwe. Jazz und Poetry heißt ein gemeinsames Musik- und Rezitationsprogramm von Wole Soyinka (Lyrik, Sprechgesang) und den beiden Jazzern Matthias Frey und Christoph Haberer. Am Samstag treffen sich alle eingeladenen Autoren gemeinsam mit Verlegern aus der BRD und der DDR zur großen Abschluß-Talkshow, die von Dietmar Schönherr und Gerd Meuer moderiert wird. Jeweils um 18 Uhr, also zwei Stunden vor den Lesungen/Gesprächsrunden gibt es Konzerte mit traditioneller afrikanischer Musik — heute spielt das Gweshe Music and Dance Ensemble aus Zimbabwe. Dorothee Wenner