Türkei und die Golfkrise
: Özal pokert mit dem Krieg

■ Während der türkische Präsident Turgut Özal in Washington den Lohn der Angst einstreichen will, besucht der frühere Premierminister Bülent Ecevit den Irak. Özals Spiel mit dem Feuer, so Ecevit, ist angesichts der irakischen Situation unverantwortlich.

„Don't worry. Die USA unterhalten ohnehin Einheiten in der Türkei“ überging der türkische Staatspräsident Turgut Özal bei seiner Ankunft in Washington die Frage von Journalisten, ob US-Soldaten an der türkischen Grenze stationiert werden können, um eine weitere Front gegen den Irak aufzubauen. Aufgeschreckt war die Öffentlichkeit durch einen Bericht der 'Washington Post‘ unmittelbar vor Ankunft von Özal, in welchem offen bei einem Angriff der USA auf den Irak die türkische Front benannt wurde. Gestützt auf US-Militärexperten in Saudi-Arabien war in der Zeitung die Rede davon, daß hochrangige US-Militärs Präsident Bush den Vorschlag unterbreitet haben, von der Türkei die zur Verfügungstellung eines „Kriegskorridors“ für US-Infanteristen zu verlangen. Der „Lohn“ für die Türkei könnte die Einverleibung der erdölreichen Gebiete des Irak um Mossul sein. Nicht nur wegen des Erdöls käme der Türkei die Besetzung Mossuls entgegen. Endgültig — so hoffen Militärs in Ankara — könne dann der Todesstoß gegen die kurdische Guerilla, die auch vom Nordirak operiert, geführt werden.

Bei dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten geht es fast ausschließlich um den Golf. Ein militärisches Briefing folgte dem anderen. Zuerst vom Leiter der Nahost-Abteilung des US-Außenministeriums John Kelly, dann von Verteidigungsminister Dick Cheney. Schließlich gestern der Gipfel mit Präsident Bush. Ursprünglich sollte Özal sogar ins Pentagon um an Ort und Stelle die Kriegsszenarien für den Golf zu betrachten. Soviel Gutes im Protokoll war den Türken dann doch zuviel. Nun muß Generalstabschef Colin Powell in Özals Hotel um sein Kriegsszenario zu demonstrieren.

Die türkische Tageszeitung 'Hürriyet‘ faßte den Gesprächsstoff der beiden Präsidenten zusammen: Die USA werden von der Türkei stärkeres Engagement fordern. Özal wird im Gegenzug seinen immer off-the- record geäußerten Wunsch erstmalig offiziell aussprechen: „Wir wollen dann an dem Tisch, der über das Schicksal des Irak bestimmt, mit sitzen.“ Freilich hüten sich Bush genauso wie Özal, solche Erwartungen offen auszusprechen. Vor Journalisten sprach der türkische Präsident immer wieder vom „Krieg als der letzten Möglichkeit“. „Zu 90 Prozent wird das Wirtschaftsembargo das Problem lösen.“ Doch bislang erfolgte kein offizielles Dementi des 'Washington Post‘-Berichts. In Kreisen des türkischen Generalstabes zeigt man sich auch nicht überrascht. „Wir wissen um solche Szenarien“ — so ein hochgestellter General in Ankara.

Sie könnten alsbald Realität werden. Denn unbeeindruckt von den Protesten der Opposition und der kriegsfeindlichen Stimmung in der türkischen Bevölkerung hat der starke Mann in Ankara bislang alle Forderungen der USA brav erfüllt. Seit Beginn der Golfkrise war die Türkei „päpstlicher als der Papst“, wie der Oppositionspolitiker Süleyman Demirel treffend anmerkte.

Doch selbst wenn der Konflikt nicht weiter eskaliert und die Türkei nicht in den Kriegsstrudel gerissen wird, scheint eines klar: Der Dollar wird weiter rollen. An die von der Golfkrise schwer betroffenen Länder, Jordanien, Ägypten und die Türkei werden insgesamt zwischen 13 und 16 Milliarden US Dollar niedrigverzinste IWF Kredite zur Verfügung gestellt. Ömer Erzeren