Rosarotes Bitterfeld

■ Umweltminister Steinberg versucht die ökologische Krisenregion mit ihrem Chemiestandort gesundzureden

Berlin (adn/taz) — Honigsüße Wahlkampfbonbons hat Umweltminister Karl-Hermann Steinberg am Dienstag in der ökologischen Katastrophenregion Bitterfeld verteilt. An dem Chemiestandort werde auf jeden Fall festgehalten, versicherte der Minister im Anschluß an eine Sitzung der Regierungskommission Bitterfeld. Eine Zustandsanalyse über die stark belastete Region sei überaus positiv ausgefallen, begründete Steinberg seinen Optimismus. Das Regierungskonzept zur Verbesserung der Region würde bereits greifen.

Nach Steinbergs Zwischenbilanz sind die Schadstoffemissionen der Region stark reduziert worden. Die Luftbelastung sei um die Hälfte, die Verseuchung der Gewässer um ein Drittel zurückgegangen. Für die Sanierung der Region seien im zweiten Halbjahr 53 Millionen Mark zur Verfügung gestellt worden.

Die Fachleute mögen Steinbergs Optimismus allerdings nicht so recht teilen. Als „voreilig“ hat der Diplomchemiker Dietmar Barkowski vom Bielefelder Institut für Umweltanalyse die Einschätzung Steinbergs zurückgewiesen. Barkowski, dessen Institut eine Zweigstelle in Bitterfeld eröffnet hat und in die „ökologische Ist-Zustandsanalyse“ mit Messungen von Boden und Wasser eingebunden ist, wies daraufhin, daß die Untersuchungsprogramme gerade erst angelaufen seien. Während der Minister die Region gesundredet, werden, so Barkowski, gerade erst Bodenproben entnommen. Die bisher registrierten, „deutlich spürbaren Verbesserungen“ seien keinesfalls die Erfolge irgendwelcher ökologischer Sanierungsprogramme, sondern ausschließlich Ergebnis der desolaten wirtschaftlichen Situation, sagte Barkowski. Aufgrund der großen ökonomischen Probleme seien viele Teilbetriebe geschlossen worden. Allein diese Schließungen seien für die reduzierten Emissionen verantwortlich.

Eine zuverlässige Einschätzung der Krisenregion könne aufgrund der jetzt durchgeführten Messungen frühestens nächstes Jahr erfolgen, glaubt Barkowski. Nach den bisherigen Meßergebnissen müsse aber für den Boden von starken Belastungen mit einer weiten Palette chlororganischer Verbindungen ausgegangen werden, die um Größenordnungen über vergleichbaren Fällen in der Bundesrepublik liegen. Im nächsten Winter, wenn zusätzlich geheizt wird, könne auch die Luftbelastung für Bitterfeld sehr schnell wieder sehr kritisch werden. -man-