In Potsdam ist der Pep

■ Chris Steinbrecher verläßt Bremen / Kulturell rührige Dobbengalerie zieht in die Altstadt Potsdams um

Bremens Kulturleben wird ein Stück ärmer: Der „Kulturschaffende“ und Galerist Chris Steinbrecher verkauft sein Haus am Dobben und verläßt mit Familie, Restaurierwerkstatt und Galerie im kommenden Sommer Bremen, um sich in Potsdam anzusiedeln. Sein jahrelanges Engagement für abweichende DDR-Kunst verschafft ihm nach der Wende beste Beziehungen zur Bürokratie der „neuen“ DDR, diese verhalfen ihm auch zu einem Prachtbau in Potsdam, der nach aufwendigen Restaurierungsarbeiten Wohnung und neue Steinbrechersche Galerie sein wird. Im taz-Gespräch blickt Steinbrecher, gelernter Kunsthistoriker, uneingestellter Lehrer, Restaurateur und seit '86 Galerist, zurück auf die Bremer Zeit, beschreibt die Lage der DDR-Kultur nach der Wende und seine eigenen Ambitionen innerhalb des Großberliner Kulturtreibens sowie als Potsdamer Galerist.

taz: Was bedeutet für Dich Potsdam?

Chris Steinbrecher: Potsdam ist von der Geschichte her sehr interessant, von dem architektonischen Reichtum her mit dem Hollandviertel und den preußischen Beamtenbauten im Stadtzentrum. Dann die unglaublich schöne märkische Landschaft, die Havelebene. In Potsdam wurde mir von der Stadtbaubehörde ein großes Haus in der Altstadt angeboten. Es ist ein Gebäude, das 1777 von Christian Georg Unger gebaut worden ist. Es hat ein großes Vorderhaus und hinten einen Hof mit einem weiteren Gebäude, das war ein Gemeindesaal, der nach dem Krieg als Konzertsaal genutzt wurde. Dort traten schon Leute wie Furtwängler mit den Berliner Symphonikern auf. Den Saal wollen wir wieder aktivieren. Ihr wißt ja, daß wir hier auch Konzerte und Theater machten; das wollen wir dort in größerem Rahmen fortsetzen mit Zuschnitt auf die Potsdamer und Westberliner Situation.

Zu den Leuten aus der Kulurbürokratie hattest Du schon früher Kontakte?

Wenn man, wie ich, ständig mit Ex-DDR-Künstlern und deren Freunden zu tun hatte, liegt das nahe, daß ich solche Kontakte weiter fortsetze. Mit den offiziellen Parteigängern hatte ich ja nie was zu tun. Das bringt mir jetzt die Angebote ein, da mitzuarbeiten; es sind sehr konkrete Angebote, die zunächst aus Ostberlin aus dem Kulturministerium kamen: z.B. bin ich im Arbeitskreis „Europäisches Kulturzentrum“ in Ostberlin, wo wir im Augenblick planen, den „Palast der Republik“ zu bekommen. Einer meiner Freunde ist der erste Sekretär des Verbandes der bildenden Künstler der DDR, die eine neue Struktur suchen und wo ich beraten kann.

Wirst Du weiter Galerist sein und restaurieren?

Die Galerie ist mein Standbein. Sehr fähige Restaurierbetriebe gibt es in Potsdam und Berlin, wohin man Aufträge abgeben kann. Was mich interessiert, ist die kulturpolitische Herausforderung, die sich hier in Bremen so nie gestellt hat. Hier sah ich in den letzten Jahren einen steten Abstieg innerhalb der Kulturschiene.

Konkret?

Man läßt solche bedeutenden Leute aus dem Theater wie Krämer oder Pina Bausch gehen, ahnlich passiert das mit Künstlern. Man ist nicht in der Lage, Leute, die auch kulturell was zu sagen hätten, zu halten. Man vermeidet, Avantgarde oder kulturellen Pep in die Stadt hineinzutragen. Man muß sich nur das Programm der Kunsthalle ansehen, wo unterm Strich nur gähnende Langeweile übrigbleibt. Wer kommt schon nach Bremen, um sich eine Ausstellung anzuschauen? Man hat hier noch nicht im Kopf, daß Kultur ein unglaublich innovatives Ding ist, für die Industrieansiedlung z.B., als seriös-kultureller Rahmen. Scherf scheint sich jetzt Gedanken zu machen, aber wie immer zu spät.

Und in Potsdam ist der „Pep“?

Absolut! Potsdam und Berlin ist eigentlich eins. Das sind 20 Minuten ins Zentrum Berlins. Potsdam in Verbindung mit Berlin wird kulturelles Zentrum ganz Ostdeutschlands.

Ist die Situation der Künstler in der DDR tatsächlich so prekär?

Ein heikler Punkt. Bisher hatten die Künstler in der DDR einen außerordentlich privilegierten Stand, privilegierter als jeder Arbeiter. Jeder Betrieb war verpflichtet, einen bestimmten Prozentsatz für Kultur aufzuwenden, durch einen Verteilungsschlüssel wurde jeder Künstler bedacht und versorgt. Das ist jetzt schlagartig anders, weil die Betriebe weggefallen sind als Geldgeber, dann entfällt der Verband als Verteiler von Geld und Aufträgen; drittens fallen die Deviseneinnahmen weg. Ihnen weht jetzt der kapitalistische Wind um die Nase. Unterm Strich: Die Lage der DDR- Künstler ist jetzt genauso beschissen wie hier.

Marktwirtschaftlich gesehen: Ist das nicht eine günstige Situation für einen Galeristen wie Dich?

Für viele Galeristen wird es ein Problem sein, weil man bisher ja immer mit dem DDR-Exotismus gehandelt hat. Der DDR-Künstler war zunächst ein Exot, dann erst ein Künstler. Das ist vorbei. Jetzt geht es um Qualität. Und eine hochinteressante künstlerische Decke ist in den letzten Jahren aus der DDR weggegangen.

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