Beste Kriegsboot-Qualität aus Vegesack

■ Traditionswerft Lürssen noch im Familienbesitz / Schnellboote auf allen Weltmeeren / taz-Rüstungsserie, Teil VI

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Noch 1955 wurden, englischen Zeitungen zufolge, Kriegsschiffe von Lürssen auf dem Werftgelände von den Aliierten beschlagnahmt. Die damals vom Bundesinnenminister in Auftrag gegebenen Schiffe waren den Aliierten zu schnell und sie konnten überdies mit schweren Waffen bestückt werden. Es war die Zeit, in der den Deutschen die Rüstungsproduktion noch verboten war. Das ist jetzt alles anders. Die heute bei Lürssen gebauten Kriegsschiffe können den Aliierten gar nicht schnell und bewaffnet genug sein.

Heute kreuzen unsere Jungs mit den 130 Mio DM teuren Schiffen aus Bremen-Nord im Mittelmeer und üben als Minensuchverband militärische Operationen im Krisengebiet Naher Osten. Die Schiffe der Qualitätswerft sind vom Feinsten und das wissen die Aliierten. Nicht zuletzt deshalb drängen sie, daß

noch zwei weitere Minenkampfboote des Typs 343 in Richtung Nahost fahren. An denen wird denn auch gerade bei Lürssen hektisch gebastelt. Der Rüstungsanteil am Lürssen-Umsatz beträgt zwischen 75 und 90 Prozent und das Privatvermögen der Lürssen- Familie über 180 Mio Mark.

1937 Weltmeister im Schnellbootfahren

Die Friedrich Lürssen Werft ist eine der großen traditionellen Kriegswerften. 1914 lieferten die Bremer Schnellboote und Torpedoboote für die kaiserliche Marine. Die Wehrmacht erhielt zwischen 1933 und 1945 mehr als 300 Minensuch- und Torpedoboote. Während des Krieges wurde die Produktion stark erweitert. 1937 wurde der Seniorchef Gerhard Lürssen mit seinem 70 Stundenkilometer schnellen Patrouillenboot Weltmeister im Marineschnellfahren. Ende der 50er Jahre begann Lürssen — diesmal mit Genehmigung der Aliierten — mit der Produktion des Marineschnellbootes Jaguar. Ein Teil dieser Boote wurde erstmals mit Meßtechnologien für die nukleare, chemische und biologische Kriegsführung ausgerüstet.

In den 70er Jahren werden insbesondere die Schnellboote und Patrouillenboote von Lürssen zu Exportschlagern. Heute schwimmen auf allen sieben Weltmeeren Lürssenschiffe. Zu den besten Kunden zählten schon damals die reichen, ölexportierenden Länder insbesondere am persisch- arabischen Golf. In dem schmalen Golf sind die wendigen, kleinen und auf der Bremer Werft mit hochmoderner Waffentechnologie ausgerüsteten Boote die optimalen Marinesysteme. In dieser Zeit schickte die Werft verstärkt leitende Mitarbeiter zu Akquirierungsgesprächen nach Saudi Arabien, später auf Einladung der sudanesischen Marine nach Karthoum, nach Abu Dhabi oder nach Pakistan.

Über die Exportgemeinschaft Schiffbau, Bonn (EGS) einer Lobbygemeinschaft mittlerer Werften, versuchte Lürssen auch in anderen Teilen der Welt Fuß zu fassen. Nachdem zum Beispiel die Elfenbeinküste die Werft abblitzen ließ, baten die Bremer die EGS um Hilfe, um doch noch Marinefahrzeuge liefern zu können. Heute ist Lürssen auch in Südostasien stark vertreten. In Malaysia hält Lürssen Anteile an der Hong Leon Werft und in Indonesien werden nach Lürssens Lizenzen Marineschiffe hergestellt. In der ehemaligen Piratenstadt Surabaya hat Lürssen für die indonesische Staatsfirma PT Pal die Werft entworfen. Fast 2.000 Facharbeiter und Meister, später auch Techniker wurden von den Bremern in Surabaya und in Vegesack ausgebildet. Dort befindet sich ein fast militärisch gesichertes Ausbildungs- und Trainingszentrum mit Kasernentrakt für ausländisches Werft- und Marinepersonal.

Eine eigene Moschee in Lemwerder

Häufige Gäste der für die Ausbildung zuständigen Firma „Lürssen Logistik“ sind neben Indonesiern auch Offiziere aus Abu Dhabi, Bahrein, oder Saudi Arabien. Und damit diese Offiziere sich bei den bis zu einem Jahr langen Aufenthalten etwas heimischer fühlen, hat Lürssen auf dem Gelände eigens eine kleine Moschee aufgebaut.

Zur „Lürssen Logistik“ gehört auch das Schnellboot mit dem gemütlichen Namen „Onkel Fidi“, benannt nach dem Firmengründer Friedrich Lürssen. Hier lernen die Auszubildenden das Schnellbootfahren aber auch den Umgang mit Lenkwaffensystemen. Zur Zeit verhandelt Lürssen mit der Marine in Brunei über die Lieferung von drei großen Patrouillenbooten und mit der Türkei über eine Lizenzproduktion von Minenkampfbooten. In der Taskizakwerft werden schon Schnellboote von Lürssen in Lizenz gebaut. Im Juni dieses Jahres waren drei Korvetten für die Vereinigten Arabischen Emirate fertiggestellt.

Konversion unvermeidlich

Vor zwei Monaten lief in Vegesack das letzte Minenkampfboot der Klasse SM 343 vom Stapel. So ein Stapellauf ist in Vegesack immer eine feierliche Sache. Dann entwirft die Bundespost eigens für den Stapellauf einen Sonderstempel. Doch die Feierlichkeiten können nicht darüber hinwegtäuschen, daß auch die Lürssen Werft um eine Diskussion über die Umstellung der militärischen Produktion nicht herumkommt. Es ist in Bremen-Nord kein Geheimnis, daß die Werft Ende 1989 für einen Teil ihrer 1.200 Mitarbeiter beim Arbeitsamt Kurzarbeit signalisiert hatte. Und auch heute werden dem Vernehmen nach einzelne Arbeiter aufgrund mangelnder Aufträge an andere Werften ausgeliehen.

Genaueres ist aber nicht in Erfahrung zu bringen. Der einzige, der in dem Familienbetrieb der Öffentlichkeit Auskunft geben darf, ist Friedrich Lürssen selbst. Der aber ist dazu nicht bereit. „Wir haben kein Interesse, mit Ihnen zu sprechen“, sagt er lakonisch zur taz. Ebenso zugeknöpft ist der Betriebsrat Schikora. Schikora hatte sich gerade mit dem Chef über Konversion unterhalten. „Wir haben ein Konzept“, sagt er. „Aber wir reden hier nicht so gerne darüber. Wir handeln lieber.“ Bei diesem Konzept geht es um Asbestsanierung von Schiffen, um maritime Entsorgung und um den Bau ziviler Yachten.

Wenn Friedrich Lürssen und Rolf Schikora handeln wollen, werden sie vermutlich nächste Woche beim Wirtschaftssenator offene Türen einrennen. Dann ist nämlich Herr Elsner in Vegesack zu Besuch, um in Sachen Konversion das direkte Gespräch zu suchen und zu sondieren, was bei Lürssen möglich ist.

Vielleicht ist der Senatsvertreter erfolgreicher als seine Kollegen vor 10 Jahren: Damals schickte der Wirtschaftssenator eine zivile Offerte nach Vegesack. Ecuador wollte ein Fischereifahrzeug bauen lassen. Postwendend schickte Lürssen die Offerte an andere Werften weiter. Der Bau eines solchen Schiffes sei „in Größe und Art für uns nicht geeignet“, so Lürssen in dem Anschreiben. Rainer Kahrs