Zwei Ausländerfeindlichkeiten?

■ Ausschuß für Ausländerfragen im Rathaus Schöneberg diskutierte die Ausländerfeindlichkeit/ Wenig Konstruktives, viele Theorien ...

Berlin. Den 3. Oktober sollten alle Berliner und Berlinnerinnen friedlich feiern, haben die Mitglieder des Ausländerausschusses auf ihrer gestrigen Sitzung empfohlen und hatten dabei die Übergriffe auf Ausländer in Ost- und West-Berlin im Kopf. Die Politiker müßten beruhigend wirken und den Ausländern erklären, daß ihre Lebensqualität durch die deutsche Einigung nicht gemindert werde. Eine entsprechende Resolution wurde am Ende der Sitzung von allen Parteien verabschiedet.

Sonst wenig Konstruktives aus dem Rathaus Schöneberg; einen gemeinsamen Handlungsbedarf für aktualisierte Vorstellungen des Senats zur Bekämpfung von Ausländerinnen-/ Ausländerfeindlichkeit und Rassismus gäbe es zwar, aber man wüßte noch zuwenig im Westteil der Stadt von den spezifischen Problemen des Ostteils. Staatssekretär Tschoepe von der Senatsverwaltung Gesundheit und Soziales brachte es auf den Punkt. »Es sieht so aus«, sagte er, »als ob wir für eine Stadt reden, aber wahr ist, daß die Gründe von Ausländerfeindlichkeit unterschiedliche Ursachen haben und die Situation noch lange verschieden bleiben wird.«

Die Ausländerbeauftragte des Magistrats, Anneta Kahane, konnte das nur bestätigen. Weil jegliche Individualität in der alten DDR-Gesellschaft drakonisch unterdrückt wurde, hätten Tugenden wie Toleranz und Neugier auf Fremdes gar nicht entwickelt werden können. Für eine Ausländerfeindlichkeit in der DDR bräuchte man gar keine Ausländer, die Ablehnung jeglicher Eigenheiten wäre ein konstitutives Element im Alltagsleben gewesen. Vorurteile und Vorverurteilungen wäre mit Gesetzen wenig beizukommen. Entscheidend sei vielmehr, Möglichkeiten zu schaffen, damit Nichtdeutsche und Deutsche sich überhaupt erst begegnen können. »Die DDR-Bürger haben eine abstrakte Vorstellung von den Ausländern, sie sehen sie nur als Fremde.«

Die Voraussetzung des »Miteinanderlebens« wäre aber, daß Ausländer ein gesichertes Bleiberecht erhielten und sie nicht, nach Ablauf der jetzt noch geltenden bilateralen Arbeitsverträge, abgeschoben würden. Die Ausländer müßten aus den abgeschotteten Wohnheimen heraus und mit ihren Familien in den Kiezen leben. Sie sollten Anspruch auf Wohnberechtigungsscheine bekommen und alle Möglichkeiten erhalten, Gewerbegenehmigungen zu beantragen. Der wichtigste Beitrag der Politiker gegen Ausländerfeindlichkeit in der DDR sei jetzt, Voraussetzungen für ein Leben mit Nichtdeutschen zu schaffen, sagte Frau Kahane. Das permanente Gerede, daß die 20.000 Vietnamesen, Angolaner und Mosambikaner Ost-Berlin zu verlassen hätten, weil DDR-deutsche Arbeitsplätze in Gefahr sind, konterkariere alle Aufklärungsbemühungen und lenke die Agressionen nur auf die Opfer der Marktwirtschaft. aku