Der Generalsekretär und die Jugend

■ Ein CDU-Abend zum Thema Jugendbanden in Tempelhof/ Macht die Polizei mehr Jugendarbeit als die Jugendsenatorin?/ Landowsky war der Star-Entertainer beim Parteinachwuchs/ Manche türkischen Jugendlichen widersetzen sich Integration

Tempelhof. Wenn vom Einmarsch der Autonomen nach Ost-Berlin die Rede ist und Jugendbanden als Vorboten diverser Antifa-Gruppen bezeichnet werden, riecht der Brei verdächtig nach rechtslastigem Gedankengut.

CDU-Generalsekretär Klaus Landowsky hat sich als Koch dieser Gerüchteküche noch immer bestens bewährt. Besonderen Spaß macht ihm das Köcheln vor allem dann, wenn er sich dem zufriedenen Schmatzen seiner zu stopfenden Mäuler sicher sein kann. Völlig in seinem Element war der Generalsekretär daher auf einer Diskussionsveranstaltung der Jungen Union Tempelhof zum Thema » Jugendkriminalität und Jugendbanden«. Wie die mentale Made im Speck saß der CDU-Senior im Kreise seiner frischgefönten Parteiküken und ergoß sich in rhetorischen Schleifchen über den halbgefüllten Saal im Rathaus Tempelhof.

Vor allem die Ereignisse der letzten Tage schürten seinen Wortfluß. Nach altem System seien Autonome und Jugendbanden vorgegangen. »Ein CDU-Bus wurde abgefackelt, Scheiben eingeschlagen«, beschwerte der CDU-Mann sich. Seine eigenen Kinder würden sich nicht mehr in die City trauen aus Angst. Die rund zwanzig anwesenden CDU-Junioren waren gerührt. Ein besonders eifriges Schlips-und-Kragen-Kid schimpfte auf die Polizei, »die nie da« sei, »wenn man sie braucht«.

Noch nie sei bei ihm auf dem Schulhof ein Kontaktbereichsbeamter aufgetaucht, dem er hätte Meldung machen können. »Wenn das der Fall wäre, könnte man der Polizei viel öfter Tips über Treffpunkte der Jugendbanden machen«, so der 18jährige Pennäler mit signalroten Ohren. Beifälliges Nicken von Guru Landowsky. »Die Polizei macht sowieso mehr Jugendarbeit als der Jugendsenat«, motzte der Generalsekretär munter weiter. »Die Abschreckung muß besser funktionieren, also mehr Polizei«, so seine intelligente Patentlösung.

Ein Vertreter der Krimialpolizei vermutete gar, daß die Jugendbanden Handlanger diverser Antifa- Gruppen sein könnten. »Schließlich sind uns Flugblätter in die Hände gefallen mit dem Aufruf ‘Bildet Banden!‚« Und diese Pamphlete stammten eben von antifaschistischen Aktionsgruppen.

Die Tatsache, daß über die Hälfte der rund 800 organisierten Jugendlichen in der Stadt Türken sind, bewertete Landowsky auf seine Art und Weise. »Das Verhalten der jungen Türken läuft einer harmonischen Integration völlig zuwider«, erzählte er seinen jugendlichen Kleingeistern. Wer noch zuhörte und nicht mit parteiinternem Flirt beschäftigt war, nickte auch hier mit bierernster Miene. Nur ein Blondschopf à la Boris Becker dachte ein wenig weiter: »Schuld an der Jugendkriminalität sind doch vor allem die kaputten Familien und die Anonymität in den Gesamtschulen.«

Christine Berger