Kolumbiens Regierung ratlos

Sieben Journalisten seit Wochen in den Händen der Kokainmafia/ Von ELN-Guerillagruppe verkauft?  ■ Aus Bogotá Ciro Krauthausen

Das Rätselraten über den Verbleib von sieben Journalisten, unter ihnen der Deutsche Hero Buss, geht in Kolumbien unverändert weiter. Zuerst verschwand Diana Trubay, Chefredakteurin der Zeitschrift 'Hoy por Hoy‘ und gleichzeitig Tochter des einflußreichen liberalen Politikers und Ex-Präsidenten Julio César Trubay. Sie war am 30. August von Bogotá aus aufgebrochen, um zusammen mit anderen Journalisten die Kommandanten der Guerillabewegung ELN in den Bergen Kolumbiens zu interviewen. Seitdem wurde der Trupp nicht mehr gesehen. Als die Gruppe Mitte September immer noch nicht aufgetaucht war, wurden erste Vermutungen laut, Diana Turbay sei mitsamt Begleitung in die Hände des Kokainkartells von Medellin, gefallen. Die ELN hat denn auch mehrmals bestritten, die Journalisten in ihrer Gewalt zu haben.

Am 19. September wurden dann die Schwester des Privatsekretärs des Ex-Präsidenten Virgilio Barco, Montoya, und auch Francisco Santos, Chef vom Dienst der größten kolumbianischen Tageszeitung, 'El Tiempo‘, von Pistoleros entführt. Die „Auslieferbaren“ — der harte Kern des Medellín-Kartells — bestritten eine am darauffolgenden Tag erfolgte Aussage ihres eigenen Sprechers „Caliche“, die Journalisten seien in ihrer Gewalt. Es wird jedoch allgemein angenommen, die Kokainbosse seien für die Entführungen verantwortlich. Die Drogenmafiosi hatten schon im Januar eine ähnliche Strategie in Gang gesetzt — damals entführten sie unter anderem den Sohn des Privatsekretärs Montoya und erzwangen einen zweimonatigen Waffenstillstand mit der Regierung.

Unklar ist, wie die Journalistengruppe in die Hände der Mafia hätte geraten können — schließlich war sie zu den Guerilleros der ELN gereist. Obwohl die ELN für ihren Frontalkurs gegen die Drogenmafia bekannt ist, wäre es möglich, daß eine geldgierige Guerilla-Front die Journalisten als Geiseln an die Kokainbosse verkaufte.

Was jedoch könnte das Kartell von Medellín mit den Entführungen bezwecken? Präsident Gaviria hatte am 5. September ein Dekret erlassen, das Drogenmafiosi, die sich freiwillig der Justiz übergeben, anbietet, sie nicht an die US-Justiz auszuliefern. Die „Auslieferbaren“ ließen durchblicken, der Zusicherung der Regierung sei nicht zu trauen. Daher wäre es möglich, daß die Journalisten entführt wurden, um im Falle der Doch-Auslieferung eines geständigen Mafioso Geiseln in der Hand zu haben. „Caliche“ hatte das Regierungsdekret sogar ganz abgelehnt und politische Verhandlungen im Stile derer mit der Guerilla gefordert. Sollte das Erzwingen von Gesprächen der wahre Hintergrund der Entführungen sein, könnte es für die Geiseln gefährlich werden: Präsident Gaviria ist im Unterschied zu seinem Vorgänger Virgilio Barco zu keinerlei Verhandlungen bereit. Trotzdem erinnern Gavirias bisherige Maßnahmen an das oft hilflose Gebaren seines Vorgängers: Erst verhängte er eine Nachrichtensperre, dann rief er anläßlich eines Bittgottesdienstes die Journalisten zur — in diesem Fall recht unnützen — Solidarität aller Kolumbianer auf.