Geordneter Rückzug des Kulturministers

Berlin (taz) — „Es reicht nicht aus, wenn der Herr Ministerpräsident gelegentlich zur Bratsche greift.“ Bei seinem vorletzten öffentlichen Auftritt gab sich gestern DDR-Kulturminister Herbert Schirmer (CDU) im Ephraim-Palais ausgesprochen kämpferisch. Die musikalischen Ausflüge seines Parteifreundes boten ihm die Brücke, um gegen die Finanzpolitik der eigenen Regierung zu polemisieren. Zwar hätte sein Ministerium dank der Verhandlungsführung des Staatssekretärs Bartsch im Artikel 35 des Einigungsvertrages wichtige politische Richtlinien gegen den Widerstand der westlichen Bundesländer durchsetzen können, um der zentralistischen Kulturverwaltung einen geordneten Rückzug in die Länderhoheit zu ermöglichen. Doch jetzt torpedierten die Finanzverwalter in den eigenen Reihen diesen Erfolg.

So besteht zwar der zentrale Kulturfonds bis 1994 auf dem Gebiet der ehemaligen DDR weiter und wird danach sogar auf das gesamte Bundesgebiet ausgedehnt, aber die vom Kulturministerium beantragten Gelder zur Förderung der projektbezogenen Arbeit der Künstlerverbände wurden lediglich reduziert dem Kulturbund zugesprochen. Mit dem Hinweis auf ihre „Berufständigkeit“ versagte das Finanzministerium den anderen Verbänden auch den Status der Gemeinnützigkeit. Schirmer forderte den Ministerpräsidenten in einem Brief zur Revision dieser Entscheidung auf. Seinen Nachlaßverwaltern, den Kultusministern der künftigen Ost-Bundesländer, empfahl Schirmer, in den anstehenden Haushaltsverhandlungen energisch aufzutreten. Da jedoch nicht die gesamte DDR-Kulturkonkursmasse föderalistisch finanziert werden könne, sprach sich der Minister aller „theatralischen“ Bonner Rituale zum Trotz für ein stärkeres Engagement des Bundes aus.

Seit Montag besteht mit dem Stiftungsgesetz die Möglichkeit, besonders kostenintensive Projekte zu fördern. So deutete die Staatssekretärin Muschter an, daß neben einer bereits gegründeten DEFA-Stiftung an diesem Wochenende über eine Stiftung „Haus Berlin“ entschieden wird, die ihren Vorstellungen zufolge eine internationale Begegnungsstätte aufbauen soll. Nachdem der Potsdamer Platz von Mercedes und der Palast der Republik von Asbeststaub befallen wurde, sucht man jetzt nach einem neuen Domizil. Auch der Deutsche Dom am Platz der Akademie soll nach seiner Rekonstruktion als Begegnungsstätte allen Bundesländern zur Verfügung stehen.

Am Vorabend der großen Vereinigung will Schirmer in seinem Amtsgebäude am Molkenmarkt mit einem „Titanic-Fest“ den Untergang seines Hauses feiern. Zum letzten Mal, dafür aber an jeden Gast, wird der DDR-Kunstpreis vom auf die „Warteschleife“ wandernden Kulturminister verliehen. a.m.