„Soziale Kreativität hat Marktwert“

■ Jahresbericht '89 des 'Paritätischen' / „Man kann Träger auch pleite fördern“

Mit einem “Blick zurück, nach hinten und vor allem nach vorn“ präsentierte gestern der 'Paritätische', gemeinnütziger Dachverband für inzwischen 168 Bremer Initiativen, Projekte und Vereine, seine Bilanz, den 190-Seiten- 'Jahresbericht 1989'. Neues Stichwort: „Soziale Kreativität“. Und die, so Geschäftsführer Albrecht Lampe vor JournalistInnen, hat richtigen Marktwert. Aus dem Vorwort: „Soziale Kreativität, das ist, wenn 'Blaumeier e.V.' ein Theaterspektakel veranstaltet und der Dachverband für das nötige Geld sorgt. Das ist, wenn im Dienstleistungszentrum Horn ein Beschäftigungsprojekt für arbeitslose Frauen umgesetzt wird.“ — “Wir sind eine Agentur für Initiativen, in denen sich soziale Kreativität entfalten können muß. Viele Mitgliedsvereine sind chronisch finanzschwach, aber das darf nicht zur Hürde werden, sich in dieser Stadt zu organisieren und einzumischen“, so Lampe, und faßte sarkastisch die Lage zusammen: „Man kann Träger auch pleite fördern.“

Denn: “Alles Geld für die Initiativen und Projekte“ — das war das Motto, nach dem der 'Paritätische' seit Jahren mit WoManpower und Sachkenntnis Finanzierungen, Beratungen, Betreuungen und Sozialarbeit durchgeführt und organisiert hat. Und das geht so nicht mehr.

Ein Beispiel: Die sieben „Dienstleistungszentren“ des Paritätischen in den Bremer Stadtteilen, von denen aus alte und behinderte Menschen in ihren Wohnungen betreut und versorgt werden. „Das kostet 1,6 Millionen jährlich, und wir bezahlen dafür 200.000 Mark“, so Lampe, „das können wir nicht mehr.“ Mit immer mehr Alten steigt immer schneller die Nachfrage nach ambulanter Betreuung. Und die Träger, die diese Arbeit organisieren, kommen mit ihrem Personal nicht mehr nach. Lampe: „Der Träger-Anteil an der Finanzierung muß gesenkt werden.“

Ein erster Erfolg scheint sich inzwischen im Breich der Sozialen Ausbildungs-und Beschäftigungsinitiativen abzuzeichnen. „Wir haben endlich Soziales, Arbeit und vor allem Wirtschaft an einen Tisch bekommen und erreicht, daß diese Initiativen als Bremer Wirtschaftsfaktor ernstgenommen und vom Progress-Institut gutachterlich geprüft werden“, berichtete Helmut Landsberg vom Paritätischen. Schließlich werden in den ABM-und §19-geförderten Initiativen Produkte oder Dienstleistungen hergestellt und verkauft, Gehälter bezahlt, Nachfrage produziert, Steuern entrichtet. Lampe: „Wir wollen Wirtschaftsförderung. Ins WAP (Wirtschaftspolitischen Aktionsprogramm) soll der Schwerpunkt 'Beschäftigungs-Förderung für Benachteiligte' aufgenommen und mit 30 Millionen versehen werden. Das sind 10% der Bremer Wirtschaftsförderung: Den Zehnten für die Armen.“ Eine erste „Branchenanalyse“ für den zweiten Arbeitsmarkt hatte der Paritätische 1989 vorgelegt; mit dem offiziellen Folge-Gutachten sind erste positive Signale der Behörden gesetzt. Susanne Paas

Den Jahresbericht gibt es kostenlos in der Geschäftsstelle, Fedelhören 49, Tel. 321532