Eichstädt sah nur noch rot-schwarz

■ Kreuzberger Baustadträtin Eichstädt-Bohlig fühlte sich von »großer Koalition« erdrückt/ Nach ihrer Rücktrittsankündigung erhob sie schwere Vorwürfe gegen die SPD und den Senat

Kreuzberg. Die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig (AL-nah) hat ihren am Dienstag angekündigten Rücktritt gestern mit schweren Vorwürfen an die Adresse der SPD verknüpft. Zugunsten einer »rot-schwarzen Bündnispolitik« torpedierten die Sozialdemokraten im Bezirk immer häufiger die rot-grüne Kooperation, kritisierte die Stadträtin. So sei mit den Stimmen von CDU und SPD eine Erweiterung der Hunsrück-Schule in der Lausitzer Straße »gekippt« worden, um einen Gewerbebetrieb zu schützen. Den letzten Anstoß für ihren Rücktritt, so Eichstädt-Bohlig zur taz, habe Bezirksbürgermeister König (SPD) geliefert. Gegen den Willen der Stadträtin habe er versucht, eine Amtsleiterstelle im Kreuzberger Bauamt mit einem »sehr konservativen« Kandidaten zu besetzen. Ihr eigener Kandidat, der »frischen Wind« in die Behörde bringen sollte, werde von König nicht akzeptiert.

Eichstädt-Bohlig beklagte darüber hinaus den »machohaften Umgangsstil einer Reihe von Bezirkspolitikern«. Wage sich eine Frau in die gewöhnlich männerdominierte Baupolitik, versuchten die Männer »nach Strich und Faden, die Frau auszutricksen«. Kritik übte die Stadträtin auch am Senat. Entgegen anderer Beteuerungen würden von ihm »ganz massiv« die Rechte der Bezirke »ausgehöhlt«. Die Mittelkürzungen bei der Stadterneuerung verbunden mit verstärktem Wohnungsneubau sorgten für eine zusätzliche »Verdichtung« in Kreuzberg. Damit werde eine erhöhte »Aggressivität« im Bezirk provoziert.

Die Stadträtin wird noch bis zum 15. Oktober weiter amtieren, bis in vier Wochen will die Kreuzberger AL eine Nachfolgerin nominieren. Eichstädt-Bohlig habe die »für sie einzig richtige Konsequenz gezogen«, erklärte gestern die AL: »Das kann nur auf unser Verständnis treffen.« Die SPD, die mit einem Mißbilligungsantrag gegen Eichstädt-Bohlig am Dienstag die Kulisse für die Rücktrittsankündigung lieferte, kritisierte gestern erneut die »autoritäre Amtsführung« der Stadträtin. Ihr Rücktritt könne nur als »Resignation vor diesem schwierigen Amt« gewertet werden. Mit Vorwürfen gegen die SPD versuche die AL »eine Flucht nach vorn« und lenke von eigenen Auflösungserscheinungen ab.

Die Behauptung, CDU und SPD bildeten eine große Koalition, sei »Quatsch«, meinte Bezirksbürgermeister König zur taz. Die übrigen Vorwürfen der Stadträtin bezeichnete der SPD-Politiker als »Rundumschlag«. Der Rücktritt sei jetzt in der Tat »besser« für Eichstädt-Bohlig, obwohl es ihm »menschlich« gesehen »leid« tue. Des Bürgermeisters Rat an die Adresse der Zurückgetretenen: Man müsse in der Politik auch mal Niederlagen einstecken können. König: »Det is' det Leben.« hmt