Ausländerwahlrecht kam durch

■ Gesetzgebungsmarathon: Die rot-grüne Koalition brachte in der Parlamentssitzung noch wichtige Teile ihres Programms auf den Weg

Berlin. In einem wahren Gesetzgebungsmarathon wurden gestern in der Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses diverse wichtige Vorhaben der rot-grünen Koalition auf den Weg gebracht, ehe die Einheit der Stadt vollzogen ist und in beiden Stadtparlamenten nur noch gleichlautende Beschlüsse gefaßt werden sollen. Nach einem fast einjährigen Lauf durch die parlamentarischen Gremien mit vielen Rückziehern der SPD wurde in dritter Lesung endlich das kommunale Wahlrecht für AusländerInnen verabschiedet, das wegen eines Formfehlers auf der Sitzung vor vier Wochen erneut ins Plenum gebracht werden mußte. Gegen die nur 57 anwesenden Abgeordneten der CDU/REP-Opposition stimmten die Regierungsparteien komplett mit 72 Stimmen für die Annahme des umstrittenen Gesetzes, das AusländerInnnen mit uneingeschränkter Aufenthaltserlaubnis die Beteiligung bei Wahlen auf bezirklicher Ebene möglich machen soll.

Die Verabschiedung hat zunächst allerdings keine Konsequenzen. In Kraft treten soll das Gesetz erst am 1. Juni 1991. Auf dieses weitreichende Zugeständnis verpflichtete die SPD den kleineren Koalitionspartner AL. Bis dahin wird das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe ergangen sein, bei dem derzeit eine Verfassungsklage gegen das kommunale Wahlrecht in Schleswig-Holstein anhängig ist. Die SPD argumentiert, man wolle sich nicht in den Ruch bringen, ein möglicherweise verfassungswidriges Gesetz in Kraft gesetzt zu haben. Die CDU- Fraktion kündigte an, nach dem 3. Oktober ebenfalls Klage zu erheben. Allen Aufregungen der letzten Tage zum Trotz wurde gestern abend auch — mit dem Stimmen der Koalition — das Landes-Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Ob Parlamentspräsident Jürgen Wohlrabe wegen dann »verfassungsrechtlicher Bedenken« vielleicht doch noch eine dritte Lesung verlangt, verriet er gestern nicht.

Die große Koalition in Richtung Bonn in Sachen Berlinförderung setzte sich gestern fort: Mit den Stimmen von SPD, AL und CDU wurde ein Dringlichkeitsantrag verabschiedet, in dem Bundestag und Bundesregierung aufgefordert werden, »im Interesse des sozialen Friedens« die Zukunft der Berlinförderung einvernehmlich mit den entsprechenden Gremien in Berlin zu regeln. Zur Begründung wird angeführt, daß Berlins Standortnachteile keineswegs überwunden sind. kd