Bleibt das Pfeifen am 3. Oktober erlaubt?

■ Nun wird wieder herbeigeredet: CDU-Politiker fordern Demonstrationsverbote/ Verbalradikalismus in Sorge um Jubelfeiern — oder im Blick auf den Wahlkampf

Berlin. Vorhang auf zur 257. Wiederaufführung des beliebten Verbaltheaters namens »Randale in Berlin«: Auf den parteipolitischen Brettern dieser bereits bewährten Politaufführung schlüpfte gestern die Bonner CDU/CSU-Fraktion in die Hauptrolle und fragte Berlins Regierenden Momper, was er »zu veranlassen gedenkt, um die Teilnehmer an den Feierlichkeiten vor den linksradikalen Gewalttätern zu schützen«. Im fernen Bonn nehme man »mit großer Sorge zur Kenntnis, daß linksradikale Gruppen für den Tag der deutschen Einheit beängstigende Aktionen« planten. Dabei nahmen sie genauso wie das Nachrichtenmagazin Report nur Bezug auf das für Spreeverhältnisse eher gewaltfrei klingende Antimotto »Deutschland, halt's Maul«. Oder entzündet sich die Sorge über »Randale und rohe Gewalt« etwa an dem Happening auf dem Platz der Akademie, wo am 2. Oktober auf »die Feierlichkeit« gepfiffen werden soll? Der Pressesprecher der CDU/CSU erinnerte die taz jedenfalls mit Schaudern an die »beschämende Szene, als Chaoten vor dem Schöneberger Rathaus am 10. November die Nationalhymne mit einem Pfeifkonzert begleiteten«.

Pflichtschuldig stieß die Berliner CDU sogleich ins selbe Horn und forderte das Verbot aller Demonstrationen, die den Ablauf der Feierlichkeiten am »Tag der Einheit« stören könnten. Nach Vorstellungen der Berliner Christdemokraten solle die »chaotenerprobte« Westberliner Polizei bei »Gewalttätigkeiten im Ostteil der Stadt« eingesetzt werden. Besonders im Hinblick auf einen »deutschen Regierungssitz« und die Olympischen Spiele sei ein friedlicher Verlauf der Feier von »außerordentlicher Bedeutung«. Niemandem dürfe der Vorwand geliefert werden, so CDU-Rechtsaußen Lummer, »Berlin als Hauptstadt der Krawalle zu diffamieren«.

Innensenator Pätzold läßt sich gerade davon, so sein Sprecher Thronicker, »nicht unter Druck setzen«. Es werde »keinen Polizisten zuwenig«, aber auch »keine martialischen Aufmärsche« der Polizei geben. Darüber hinaus bot Pätzold in Übereinstimmung mit dem Bundesinnenminister Schäuble dem DDR-Innenminister Diestel an, die Verantwortung für die Ostberliner Polizei bereits vor dem 3. Oktober zu übernehmen. Eine Antwort darauf steht noch aus. Denkbar sei es, entweder sofort die Einsatzleitung für die Feierlichkeiten oder ab dem 1. Oktober die polizeiliche Gesamtverantwortung zu übernehmen. Entsprechend will auch die Polizeiführung vor Montag keine Auskünfte über Einsatzkonzepte erteilen — und zwar weder der Presse noch der innenpolitischen Sprecherin der AL, Lena Schraut.

Die SPD ist nun in die ihr zustehende Rolle geschlüpft: »Schwarze Vermummte werfen Steine, und schwarze Politiker greifen sie begierig auf, um damit parteipolitische Auseinandersetzungen zu führen«, erklärte Senatssprecher Kolhoff katastrophengewohnt, betonte aber gleichzeitig, daß sich der Senat »intensiv« darauf vorbereite, die Feierlichkeiten in »ruhiger Atmosphäre« verlaufen zu lassen. Konkrete Erkenntnisse über mögliche Randale liegen der Innenverwaltung derzeit nicht vor. maz