Multinationale Entwicklungskonzerne

■ Die Jet-Set-Bürokratie bei UNO und Weltbank verschlingt jährlich die Hälfte der internationalen Entwicklungshilfe

„Entwicklungshilfe ist ihrem Wesen nach schlecht, durch und durch schlecht, und absolut nicht reformierbar. Als wohltätige Spende, mit der sich der Westen die widerwärtige Loyalität bettelnder, untätiger und böswilliger Regierungen erkauft, oder als versteckte, ineffiziente und unzulänglich geregelte Subventionierung westlicher Unternehmen ist sie möglicherweise das gefährlichste Hindernis für produktive Bemühungen der Armen.“

Graham Hancock, der dies schreibt, beschäftigt sich seit 20 Jahren als Journalist mit Entwicklungshilfeprojekten. Sein ebenso niederschmetterndes wie provokantes Fazit hat er jetzt in einem Buch gezogen, das für große Aufregung sorgen könnte. Vor allem in den Kreisen jener gutdotierten BeamtInnen des multinationalen „Entwicklungskonzerns“ und der „Wohlfahrtsindustrie“, wie Hancock die nationalen und internationalen Entwicklungsorgansisationen nennt. Sie und ihre Günstlinge sind es, die nach Hancocks Meinung den Großteil der Entwicklungsmilliarden absahnen. Den Armen der Welt habe die Entwicklungshilfe im günstigen Fall nichts, meistens jedoch nur eine Verschlimmerung ihrer Lage gebracht. „Für immer mehr Menschen in der Dritten Welt bedeutet 'Entwicklung‘ heute nichts anderes als Bedrohung, Verlust und Entfremdung. Sie sind überberaten und unterernährt.“

Mit einer Fülle von tristen Beispielen belegt Hancock seine These. Er beschreibt mit Akribie jede Menge von Entwicklungsruinen, stellt ganze Kataloge von Fiaskos zusammen. Er belegt mit zahllosen Beispielen die Inkompetenz, Eitelkeit und Korruptheit der in diesem Milliardengeschäft tätigen Jet-Set-BürokratInnen. Am härtesten trifft sein Zorn die UNO und ihre Unterorganisationen sowie die Weltbank: „Welch noble Mission die Vereinten Nationen auch einmal gehabt haben mögen, sie ist längst in Vergessenheit geraten ... in dem Maße, wie immer neue, nur auf ihr eigenes Überleben erpichte Bürokratien aus dem Boden schossen und ehrgeizige, machthungrige Männer sich innerhalb des Systems kleine Reiche schufen und die Posten an ihren Höfen mit Opportunisten und Speichelleckern besetzten.“

Allein die Kosten für Anstellung der UN-Sachverständigen und Arbeit vor Ort verschlingen etwa 22 Milliarden Dollar — an die 50 Prozent dessen, was insgesamt pro Jahr für öffentliche Entwicklungshilfe ausgegeben wird. UN-Beamte und Angestellte gehören zu den höchstbezahlten BeamtInnen der Welt. Und was haben sie erreicht? Daß es ihnen gutgeht, daß die armen Länder immer abhängiger werden, brav ihre immer größer werdenden Schulden zahlen, und immer neue unsinnige Hilfsprojekte von „Experten“ annehmen — um sich dann noch mehr zu verschulden.

Hancocks Buch ist ein Rundumschlag, nicht immer eine kühle Analyse. Sein Verdienst ist, daß er jenem scheinbaren „Humanitarismus“ mit dem in der Entwicklungspolitik so oft gearbeitet wird, die Maske herunterreißt. Er guckt genau nach und stellt fest, daß das meiste Geld der Entwicklungshilfe in den Händen der Reichen bleibt, oder wundersam vermehrt über Schuldendienst und Zahlungen für Importe an sie zurückfließt. Trotz und eben auch wegen der Entwicklungshilfe zahlt der arme Süden dem reichen Norden Jahr für Jahr mehr Geld. Nettofinanztransfer von Süd nach Nord im Rechnungsjahr '87/'88: 30 Milliarden Dollar. Geblieben aber sind im Süden „Kathedralen in der Wüste“, ökologische Zerstörung aufgrund von blödsinnigen Großprojekten und nicht selten eine gemästete nationale „Kleptokratie“, die sich Millionen von den Entwicklungsgeldern in die eigene Tasche gesteckt hat, um sie dann auf Schweizer Banken zu deponieren.

Hancock bietet keine Alternativen. Außer der, Entwicklungshilfe ersatzlos zu streichen. Ob das die Lösung ist, muß bezweifelt werden. Denn so schlimm die „Händler der Armut“ vielleicht sein mögen, sie sind nur der personelle Ausdruck eines ökonomischen Weltsystems, daß falsch, ungerecht und zerstörerisch ist. Almosen, noch dazu vergiftete, können das gewiß nicht ändern. Aber auf die Selbsheilungskräfte allein zu vertrauen, wenn die Karre so im Dreck steckt, langt wohl auch nicht.

Entwicklungshilfe in der alten Form mag falsch ud kontraproduktiv sein. Entwicklungspolitik aber bleibt eine der wichtigsten und dringlichsten Fragen unserer Zeit. Bei der Diskussion darüber, wie sie aussehen soll und muß, wird man an Hancocks Buch schwerlich vorbeikommen. Thomas Pampuch

Graham Hancock: „Händler der Armut — Wohin verschwinden unsere Entwicklungsmilliarden?“, Droemer-Knaur, 1989, 38,-DM