KOMMENTAR
: Böse Künstler

■ Nicht nur gute Menschen malen gute Bilder

Man muß schon ein ziemliches Arschloch sein, um die Künstler der DDR kollektiv „ganz einfach Arschlöcher“ zu nennen. Daß der Maler Baselitz das getan habe, behauptet 'Pan‘, die Burda-Konkurrenz zu Gruner&Jahrs 'art‘, in der Oktoberausgabe. Ferner habe der Maler, der zu den teuersten lebenden Malern der Bundesrepublik gehört, „die gesamte DDR-Kunst für null und nichtig“ erklärt. Die Äußerungen des Malers Georg Kern, der sich nach dem sächsischen Ort seiner Herkunft Deutschbaselitz Baselitz nannte und der DDR früh den Rücken kehrte, hat 'Pan‘ für eine Umfrage genutzt.

So werden bekannte Positionen bekräftigt: Siegfried Gohr, Direktor des Museums Ludwig, Köln, glaubt: „Verstrickt von der Teilhabe an der Macht, verspielte die DDR-Kunst ihre künstlerische Wahrhaftigkeit“. Sie würde „vergehen als ein Phänomen, geknüpft an die Existenz eines Staates, der alle seine früheren Ideale verriet“. Der Sammler Ludwig, nach dem das Museum nicht nur heißt, glaubt von denselben Künstlern, sie hätten „das historische Erbe einer einheitlichen deutschen Kunst zu bewahren versucht“ — er kauft sie längst. Der Galerist Dieter Brusberg, der mit den umstrittenen Bildern seit Jahren schwunghaften Handel treibt, glaubt, „da findet im Moment eine bestimmbar gesteuerte Polemik statt“ — die Verschwörungsthese; böse Galeristen vom Rhein verkaufen lieber böse Künstler vom Rhein.

Drei der vier Maler, um die es im wesentlichen geht, Mattheuer, Sitte und Tübke, treten die Flucht nach hinten an. Am schlimmsten Wolfgang Mattheuer aus Leipzig: „Ich bin auch nicht mit Herrn Sitte zu vergleichen und ich habe nicht am 7. Oktober 1989 noch den Karl-Marx-Orden entgegengenommen und am 15. Oktober wieder abgegeben.“ Seine DDR-Nationalorden, harmlose „Kunstpreise“, trügen weder „Zirkel und Hammer oder sonst was“. Mattheuer ist sich nicht einmal zu blöde, damit anzugeben, daß „unsere Preise steigen“. Nur Bernhard Heisig meint weise, es werde „auch noch ein paar Jahre dauern, ehe man entscheiden kann, was davon wert ist, bewahrt zu werden.“

Da hat er gewiß recht. Schließlich sind die Arbeitergemälde Willi Sittes keine Stasi-Akten, man wird sie schon aufheben bis zum nächsten Jahrtausend. Und die Frage, wer am meisten kompromittiert war oder wer sich am dümmsten herausgeredet hat, wird nicht im Vordergrund stehen, wenn es um Museumsplätze geht. Dann könnte eine ganz andere Frage viel wichtiger werden: in wessen Werk der Konflikt um die richtige sozialistische Kunst am spannendsten ausgetragen worden ist.

Daß die Künstler zumindest ideologisch schwer drangsaliert worden sind, steht außer Frage. Wichtig ist, ob dieser Konflikt, dessen ästhetisch nicht auflösbarer „politischer Rest“ sie nun zernagen mag, in ihrem Werk so kodiert ist, daß er auch später noch lesbar bleibt. So ist es bei Velazquez, dem spanischen Königsmaler des 17. Jahrhunderts. Daß sich der Konflikt Staat-Individuum in der DDR länger gehalten hat als in der Bundesrepublik, sagt noch nicht viel über den Bestand ihrer Kunst.

Niemals ist der Künstler der beste, der sich an alle zehn Gebote gehalten hat. Schließlich würde im Westen auch niemand auf die Idee kommen, die Bilder Emil Schumachers ins Museumsdepot zu bringen, sollte es sich herausstellen, daß er beim Malen seiner grindigen Abstraktionen vergessen hätte, gegen den Krieg in Korea zu protestieren. Ulf Erdmann Ziegler