Mit tschekistischem Gruß, die Stasi!

■ Dokumente der Staatssicherheit aus dem Bezirk Potsdam vom letzten Jahr veröffentlicht BUCHBESPRECHUNG

Berlin (taz) — Wir kennen sie nicht, die Aufzeichnungen des westdeutschen Bundesnachrichtendienstes und des Verfassungsschutzes. Wir wissen nicht genau, wer alles und mit welchen Kriterien als „feindlich-negativ“ für das Bestehen des BRD- Staates eingestuft wird. Aber wir wissen, daß jede Staatsmacht der Welt sich auch auf Geheimdienste stützt, deren Operationen den Regierten oft nur durch spektakuläre Pannen bekannt werden; ein endloser Spielraum für Ängste, Spekulation und Vertuschung.

Um so mehr Gewicht bekommen verläßliche Quellen und Dokumente über die Abeitsweise, Ziele und das Selbstverständnis eines Geheimdienstes. Solche legt die Edition Babelturm Potsdam jetzt der Öffentlichkeit vor. Am letzten Tag der völkerrechtlichen Existenz der DDR stellen Reinhard Meinel und Thomas Wernicke im ehemaligen Untersuchungsgefängnis der Stasi in Potsdam der Presse ihre Dokumentation vor: „Mit tschekistischem Gruß. Berichte der Bezirksverwaltung Potsdam 1989“ (DM 18.—, Auslieferung: VAH Berlin 30)

Die Publikation ist von Anfang bis Ende eine Frucht der Arbeit von Bürgerbewegungen des „Aufbruchs 89“. Es waren u.a. die Herausgeber, die als Mitglieder des Neuen Forums die ersten großen Demonstrationen der Bevölkerung mit organisierten. Auch ihre Namen finden sich als Bespitzelte in den veröffentlichten Akten der Bezirksverwaltung Potsdam des Ministeriums für Staatssicherheit. Aber es sind auch die Herausgeber, die nach der Erstürmung der Stasi durch die Bevölkerung die Zähigkeit und Wachheit besessen haben, die Dinge im Auge zu behalten, bevor sie in anderen, undurchschaubaren Machtkanälen wieder verschwinden. In ihrer aufschlußreichen Einleitung beschreiben sie die Umstände und Schwierigkeiten, wirklich Zugang zu den Dokumenten zu bekommen, und begründen ihre Auswahl sowie den Umgang mit schutzwürdigen Daten. Schließlich hat das Neue Forum Berlin dem Potsdamer Verlag bei der Realisierung des Projekts als Kreditgeber Pate gestanden.

Das Buch enthält 59 Dokumente aus der Zeit von Februar 89 („Politisch-ideologische Diversion und feindlich-negative Kräfte“) bis Dezember 1989 („Hinweise zur Aktenvernichtung“). Es ist ein Lehrstück ohnegleichen, nachzulesen, wie sich die soziale Bewegung in der DDR des Jahres 1989, die soviel Publizität erfahren hat, in der trostlosen, aber auch heimtückischen Sprache und Bespitzelung des Geheimdienstapparats ausnimmt. So mag diejenigen, die sich vor einem Jahr mit den aufkeimenden Bürgerbewegungen in der DDR verbunden fühlten, vielleicht ein Schauer überlaufen, wenn sie jetzt lesen, (Dokument 31) wie am 13.September in den Akten der Staatssicherheit der Potsdamer Verwaltung das Gründungstreffen des Neuen Forums „bei der operativ hinlänglich bekannten Katja Havemann“ festgehalten ist und welche Personen in Potsdam folglich besonders zu observieren sind...

Der Versuch, den Bürgern in der DDR die Stasi-Dokumente aus der Hand zu schlagen, im Namen einer anderen Staatsräson, ist noch nicht beendet. Vor diesem Hintergrund sind solche Veröffentlichungen notwendig, um den BürgerInnen der DDR die Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte zu ermöglichen.