Nicht nur zum Spaß

■ Giftgas-Berichterstattung, taz v. 10.-14.9.

In der gesamten taz-Brichterstattung zu den Giftgastransporten in den letzten drei Wochen und vor allem zu den sich formierenden SchülerInnenprotesten schwang ein leicht überheblicher Unterton mit: Nun stellt euch mal nicht so an!

Ich habe mich darüber geärgert, und mein Ärger gipfelte in dem Bericht über die Schüler-Demonstration. Die SchülerInnen haben da zum letzten Mal Unterstützung für ihre Selbstevakuierung und Durchführung von Alternativunterricht in Hamburg für die Dauer der Transporte gefordert, bevor sie die Aktion frustriert wegen mangelnder behördlicher und sonstiger Hilfe aufgegeben haben. Von dieser Demo glaubt die taz offensichtlich, die SchülerInnen machten sie nur zum Spaß und weil sie dafür früher nach Hause kämen (nur Schüleräußerungen dieser Art wurden gebracht), und diskutierten in den Klassen über Giftgas nur, weil sie keinen Bock auf herkömmlichen Unterricht hätten (Kommentar). Ich habe die Demo miterlebt, und ich fand sie lebendig, erstaunlich gut besucht und politisch motiviert! Sie richtet sich

-gegen die Geheimhaltungspolitik der BRD in Sachen Giftgas,

-gegen den überstürzten Abtransport, der allzu offenkundig dem Wahlkampfauftakt diente,

-gegen die Verschiebung des Problems der Vernichtung in die 3. Welt,

-gegen die Individualisierung der Gefahrenbegegnung.

Doch die taz findet es wichtig zu zitieren: „Ach, wir demonstrieren hier nur so, damit wir früher nach Hause kommen.“ Wer hat denn zu den Giftgastransporten Öffentlichkeitsarbeit gemacht außer dem Friedensforum und den SchülerInnen? Jede, die politische Arbeit macht, weiß, wie schwer für eine Aktion zu motivieren ist, wenn der Gegner (hier der Tansport) nicht genau zu bestimmen ist (Zeit und Strecke waren wohlweislich bis 6 Tage vorher offen). Die SchülerInnen haben sich davon nicht abhalten lassen, sie haben in erstaunlich kurzer Zeit politische Spontaneität gezeigt, kreative Ideen entwickelt und die Kommunikation zwischen den Schulen organisiert.

Ich erwarte, daß SchülerInennprotest ernst genommen wird, auch wenn einige vielleicht meinen, daß die Jugendlichen die Gefahr überschätzen. Aber welbst wenn dies so ist, ist es nicht den SchülerInnen anzulasten, sondern der Geheimhaltepolitik in Bonn und Bremen, die dazu angetan ist, unsere Ängste zu schüren. Alle jammern darüber, wie unpolitisch und unaktiv Jugendliche heute sind. Und sind sie dann aktiv, setzt die taz nur ein müdes Lächeln auf. Katharina Witte