Fischen mit Handgranaten

■ Neues Video: „Zwischentage“ / Huchtinger Jugend nach dem Krieg

Da hat einer eine gute Idee gehabt! Einen damals Halbwüchsigen von zwölf Jahren seine Erlebnissen in Huchting im von 1945 schildern zu lassen, das ist ein origineller Ansatz zu diesem wichtigen, doch auch schon reichlich abgegrasten Thema. Die Produzenten waren so klug, sich auf einen Zeitzeugen zu begrenzen und dessen Erzählungen durch Fotos und Tondokumente aus der Zeit zu ergänzen. Der Blick fällt auf Details und Geschichten, die nicht durch „erwachsene“ Rechtfertigungen oder Reflektionen verfälscht wurden.

Heinz Dieter Ahlers erzählt von seinen Freunden aus der „Bahnhofsbande“, von Tieffliegerangriffen und den etwas älteren Jugendlichen, die als letztes Aufgebot der Hitlerjugend noch im Krieg umkamen. In der Ruine des Huchtinger Bunkers schildert er die dortigen Aufenthalte während der Bombardierungen; vor den Toren des ehemaligen Rüstungsbetriebs Th. Klatte wird dessen Verflechtung mit den Nazis zur Sprache gebracht.

Nach der Befreiung hatten die Kinder Todesangst vor den Besatzern: trotz ihres Heißhungers rührten sie, aus Furcht, vergiftet zu werden, die Schokolade der „Tommies“ nicht an.

Später wurde ganz Huchting zum Abenteuerspielplatz, auf dem aus Kriegsmaterial Flöße gebaut, mit gefundenen Handgranaten Fische gefangen und am Bahndamm Kaffee geklaut wurde. Dann zog langsam die Normalität ein, es gab Behelfsausweise und wieder Schulunterricht.

In beiläufig erwähnten Details wird die Härte der Situation genau auf den Punkt gebracht: Der Offizer eines Strafbatallions, der am Abend im Hause der Eltern um etwas Tee bettelt, liegt am nächsten Morgen erschossen im Bahnhofspissoir; in den Stahlhelmen, die die Jungs auf dem Flüßchen treiben sehen, sind noch die Köpfe der gefallenen Soldaten.

Ahlers erzählt manchmal ein wenig unsicher oder stockend, und auch sonst ist die erste Produktion der Videowerkstatt alles andere als perfekt. Es rauscht, und einige Tondokumente sind kaum zu verstehen, aber das liegt an der noch mangelhaften Ausrüstung der Gruppe. Die Auswahl und optische Aufbereitung des Materials sind vorbildlich; mit 42 Minuten läßt sich das VHS-Video auch gut in der Bildungsarbeit einsetzen. In dieser Richtung will die Gruppe auch weiter arbeiten: Als nächstes ist das Portrait einer Huchtinger Gemeindeschwester geplant, die in den sechziger Jahren eine große Fotosammlung der alten Gebäude des Stadtteils, die kurz vor ihrem Abriss waren, zusammenstellte. Langsam will die Gruppe so eine „Videothek der Zeitzeugen“ aufbauen, dafür ist „Zwischentage“ ein vielversprechender Grundstein. Wilfried Hippen

Das Video kann jederzeit bei der Videowerkstatt Huchting entliehen werden. Tel. 570293.