Das Begräbnis

■ Ein vor dreißig Jahren in Polen entstandener Vorruf von Jan Himilsbach

Es waren seine letzten Lebensstunden. Die Situation wurde nicht nur mit jedem Augenblick peinlicher, sie war einfach blöd. Wir wußten es beide, und beide sehnten wir uns aus tiefstem Herzen nur das eine herbei: ein rasches Ende.

Erschöpft bis zum Äußersten, warteten wir schon seit einer Woche in großer Anspannung. Aber der Tod kam nicht.

Man hätte wirklich nicht sagen können, wer schuld daran war: der Tod, der Kranke oder das Ärztekonzilium, das nach langer Beratung zu dem Schluß gelangt war, der Kranke werde den morgigen Tag nicht mehr erleben. Nach diesem Befund mußte er irgendwann in der Frühe tot sein. Ich tätigte diverse Käufe im Hinblick auf das Begräbnis. Ich holte einen Schneider ins Haus, der dem Sterbenden Maß nahm und einen eleganten Anzug für ihn nähte. Der Schuster maß seinen Fuß aus und fertigte entzückende Halbschuhe an. Die schwarze Krawatte und die Wäsche lagen seit Tagen bereit. Am gewissenhaftesten entledigte sich der Schreiner seiner Pflicht, bei dem ich den Sarg bestellte. Wahrhaftig ein Mann von Ehre. Am Nachmittag gab ich die Bestellung bei ihm auf und zahlte ihm einen Abschlag, und anderntags im Morgengrauen stand der Sarg schon vor unserer Wohnungstür. Den Rest der Schuld würde ich nach dem Begräbnis begleichen. Ich bestellte auch den Leichenwagen, der zwei Tage später vor unserem Haus vorfuhr.

Die Wohnung betraten vier kräftige schwarzgekleidete Männer. Mit zufriedener Miene sahen sie sich um. Offenbar rechneten sie damit, sich ein paar Groschen zu verdienen. Ich mußte sie lange um Entschuldigung bitten und ihnen erklären, der, um den es ihnen zu tun wäre, sei leider noch am Leben. Der Fahrer begann nervös zu hupen. Die Nachbarn liefen zusammen, vor dem Haus entstand ein unheimlicher, nicht zu beschreibender Tumult.

Die Männer in den schwarzen Anzügen schütteten kübelweise ordinärste Beschimpfungen über mich aus, weil ich ihren Berufsstand verhöhne. Sie drohten, sie würden nicht noch einmal kommen, was bedeutete, daß ich gezwungen wäre, den Sarg mit der Leiche auf meinen eigenen Schultern zum Friedhof zu schleppen. Schließlich zogen sie ab und schlugen krachend die Tür hinter sich zu. Ich atmete erleichtert auf. Mein Hemd war klatschnaß. Ich setzte mich zu dem Kranken und nahm seine Hand. Er sah mich an.

»Erzähl mir was Interessantes«, bat er.

Ich überlegte lange, was ihn interessieren könnte.

»Ich weiß nichts Interessantes«, sagte ich ausweichend.

»Ja, wirklich. Es gibt nichts Interessantes auf dieser Welt«, pflichtete er mir bei. »Es tut mir nicht einmal leid zu sterben. Wenn ich tot bin, nimmst du meine Bücher.«

»Eine Erbschaft?«

»So was in der Art.«

»Gut, ich werde sie in Ehren halten.«

»Daß ich auch gar nichts mitnehmen kann!«

»Apropos Erbschaft. Eine Familie hat von einem Onkel in Amerika eine Million geerbt.«

»Ja und?«

»Nichts.«

»Ah ja ...«

»Das reicht bis an ihr Lebensende.«

»Man wird sie ihnen stehlen.«

»Glaubst du, jemand ist so blöd, soviel Geld im Haus zu behalten? Wozu gibt es denn Banken?«

»Auch die Banken stehlen.«

»Was machen sie also mit dem Kies?«

»Rück mir das Kissen zurecht.«

An der Tür klopfte es. Ich ging öffnen. Auf der Schwelle stand der Schreiner. Ich lächelte ihm entgegen und streckte die Hand zur Begrüßung aus. Er wich zurück.

»Nicht über die Türschwelle«, sagte er, »das kann leicht ein Unglück geben ...«

»Ja, Sie haben recht«, stimmte ich ihm zu. »Ein Unglück kommt selten allein.«

Ich ließ ihn ins Zimmer. Der Schreiner kreuzte die Arme auf dem Rücken, stellte sich auf die Zehenspitzen und begann seinen schweren Leib vor und zurück zu wiegen.

»Womit kann ich Ihnen dienen?«

Er zog den Vertrag aus der Tasche.

»Nun ja, ich verstehe, aber Sie sehen ja ...«

»Was soll ich sehen?«; er glupschte mich an.

Schweigend wies ich mit der Hand auf den Kranken.

»Er lebt noch«, sagte ich betreten. »Bitte kommen Sie morgen wieder, vielleicht fügt sich bis morgen alles glücklich, und Sie bekommen Ihr restliches Geld.«

»Na schön«, willigte der Schreiner ein. »Ich komme morgen noch mal. Viermal war ich schon hier, und jedesmal gehe ich unverrichteter Dinge. Wenn bis morgen nicht alles vorbei ist«, drohte der Schreiner, »und Sie nicht zahlen, komm' ich mit den Jungs und nehm' den Sarg wieder mit. Das haben Sie dann davon.«

Aus dem Polnischen von

Roswitha Matwin-Buschmann.