Schlesien bleibt unser?!

■ Die Buntstifte sind frei: Malbuch für Ostberliner Kinder

Ost-Berlin. Ein Malbuch mit Namen Märchenhaftes Deutschland flatterte letzte Woche auf einen Schreibtisch im Magistrat. Für die SchülerInnen in Ost-Berlin sollte es sein — und kostenlos. Der edle Spender ist das Gesamtdeutsche Institut, das dieses Buch — im Auftrag der Bundesministerin für innerdeutsche Beziehungen (BMB) — seit Monaten bereits in der BRD verteilt.

Dem Magistrat gefällt das Geschenk aber nicht. Das Malbuch will, laut Vorwort, »jungen Menschen« mit Bildern von Märchen und Landschaften »Vergangenheit und Gegenwart unserer Heimat näherbringen«. Landschaften wie Mecklenburg, das Schwabenland und — Schlesien. Und genau diese ist der Stein des Anstoßes. Sollen die Kids in Ost-Berlin mit den westdeutschen Gegenden sozusagen spielerisch auch gleich die ehemaligen Ostgebiete über den Buntstift ins Gedächtnis kriegen?

Das BMB als verantwortliche Behörde hält das Malbuch für unbedenklich. Schließlich, so ein Sprecher, sei es kein Lehrbuch. Man solle nicht die Spitzfindigkeit von Erwachsenen auf die Kinder projizieren. Schlesien gehörte unzweifelhaft zur deutschen Kulturlandschaft. Und das Wort »Vergangenheit« im Vorwort sei als Rechtfertigung ausreichend. Nun steht aber im Text an keiner Stelle, daß Schlesien heute zu Polen gehört. Macht nichts, hieß es im BMB, die Aussagen des Bundestages zur Oder-Neiße-Grenze würden das Ganze in das richtige Licht setzen. Klar, daß die Parlamentsprotokolle in den Kitas eifrig und täglich gelesen werden ... Wie auch immer, das Buch soll eine »Anregung« sein. Und vielleicht, so das Vorwort weiter, »bringt es auch Älteren manche Erinnerung zurück. Am schönsten wäre es, wenn Jung und Alt gemeinsam ihr MÄRCHENHAFTES DEUTSCHLAND entdecken würden.«

Der Verlag will das Buch, das bisher nur für das BMB gedruckt wurde, nun auf den freien Markt bringen. Schlesien fliege dann allerdings raus, denn auf der neuen Fassung hält kein Ministerium den Daumen drauf. chrib