Die Menschen und das Monument der Mauerbauer

■ Das Kampfgruppendenkmal im Volkspark Prenzlauer Berg erregt die verschiedensten Gemüter/ Keiner will mehr die Pranken der Arbeiterklasse — zumindest nicht in der ursprünglichen Form/ Die Stunde der Wandalen?

Prenzlauer Berg. Nach politischem und wirtschaftlichem Machtentzug geht es in der DDR einem weiteren sozialistischen Erbe an den Kragen oder besser an den Sockel — den Denkmälern. Sie fehlen nirgends: Bronzeschädel der Begründer der einzig wissenschaftlich begründeten Weltanschauung, deren Lehre allmächtig, weil allein wahr sein sollte. Meterhohe Lenin-Standbilder und Gedenkmauern sowie unendlich viele weitere Monumente von Vorkämpfern und Patrioten. Die Diskussion über ihre Zukunft, und ob sie überhaupt eine haben sollen, ist bereits seit einiger Zeit im Gange. Von Einschmelzen und Zersprengen ist die Rede, und wiederholte Denkmalschändungen sind in den Städten der DDR bereits nur noch Kurzmeldungen wert. Andere Vorschläge verbannen die nun ungeliebten, weil peinlichen Relikte in dunkle Museumsecken, und wieder andere, wie zum Beispiel der Pankower Graphiker Manfred Butzmann, schlagen ihre Begrünung vor. Eines von den umstrittensten dieser in Frage geratenen Objekte stellt das Kampfgruppendenkmal in Prenzlauer Berg dar. Das zuständige Bezirksamt erhält immer wieder Briefe von Bürgern, die den Abriß dieses dreiteiligen Monuments im Volkspark Prenzlauer Berg fordern. In diesen begrünten Trümmerberg des Zweiten Weltkrieges wurde 1983 ein Monument gerammt, das die Kampfgruppen und Helden des Mauerbaues von 1961 ehren sollte. Ein Werk des Bildhauers Rommel, das vorgibt, kampfentschlossene Arbeiter zu zeigen, die mit riesigen Pranken, getreu der offiziellen Ideologie, die Arbeiter- und Bauernmacht in den Händen halten. Ringsum Aufmarschplatz, so gut wie nie genutzt. An Beton verlorenes Terrain ... Die Ungeduld der Anwohner ist verständlich. Doch, so gingen die öffentlichen Überlegungen von Initiatoren der Grünen Partei: was wäre ein Abriß anderes als eine zudem halbe Million teure Bilderstürmerei? Eine Alternative wäre beispielsweise, diesen Platz zu begrünen. Eine Aktion wurde dazu jüngst durchgeführt, die einerseits die Anwohner des nahen Neubaugebietes zu Meinungsäußerungen herausfordern und gleichzeitig für den Gedanken werben wollte, ein Kapitel sozialistischer Alltagsgeschichte sichtbar zu überwinden. Reinhard Zabka, Berliner Objektkünstler, hatte ähnlich wie Butzmann die Idee entwickelt, die Figurengruppen und die Reliefwand mit Drahtseilen zu umspannen und anschließend mit Rankenpflanzen wie wildem Wein und Knöterich zu bepflanzen.

Während die Stadträtin für Kultur, Rusta (SPD), lieber überhaupt noch nicht an dieses Problem gerührt wissen wollte und meinte man sollte doch besser spätere, globale Entscheidungen abwarten, gab es auch gegenteilige Vorstöße. Der Ausschußvorsitzende für Bauen und Wohnen in Prenzlauer Berg, Krumke (SPD), versuchte sogar bei einer Vorabbesprechung mit den Mustern althergebrachter politischer Einschüchterung das Projekt zu torpedieren. Er, der früher SED- Mitglied und für die Bauausführungen des stark umstrittenen Ernst- Thälmann-Denkmals zuständig war, tönte sinngemäß, daß es wohl eine politisch eklatante Fehlentscheidung wäre, das Denkmal stehen zu lassen. Die Aktion fand jedoch genügend Unterstützung, und am 15. September spannte Reinhard Zabka mit Hilfe von Ben Wargin, der dieses Mal keine Ginkobäume pflanzen durfte, die Stahlseile. Zunächst ein Provisorium, dessen Standfestigkeit von der staatlichen Bauaufsicht noch nicht einmal geprüft worden war, als auch schon die ersten Heringe mutwillig von Unbekannten entfernt wurden.

In der Nacht vom 21. zum 22. September kam es dann schließlich zu einer völlig konträren, anonymen Aktion: sinnloser Zerstörung. Das Bronzerelief wurde mit Farbe beschmiert und eine Figur umgekippt. Die Seile, die als Klettergerüst der Grünpflanzen gedacht waren, wurden zu Zugseilen der Wandalen. Dieses erneute Beispiel von Denkmalszerstörung kann nun den Verantwortlichen nur noch einmal mehr deutlich machen, wie dringend es nötig ist, hierzu eine breite Diskussion in Gang zu setzen. markstein