KOMMENTAR
: Saddam rettet Rushdie

■ London und Teheran nehmen wieder diplomatische Beziehungen auf

Die Dolche der schiitischen Assassinen bleiben weiterhin im Schaft. Die Gefahr für die leibliche Unversehrtheit des Autors der Satanischen Verse Salman Rushdie ist — wie es scheint — einstweilen gebannt. Dafür sorgte im Grunde Saddam Hussein. Am Donnerstag haben Teheran und London vor dem Hintergrund der Golfkrise erneut diplomatische Beziehungen aufgenommen, die vor 19 Monaten wegen der Morddrohung des Ayatollah Chomeini gegen den indo- britischen Dichter unterbrochen worden waren.

Die Erben des verstorbenen Imam haben das Todesurteil nicht explizit zurückgenommen. Doch ihre Erklärung, man wolle sich künftig nicht in die inneren Angelegenheiten des Königreichs einmischen, wurde als Einlenken Teherans in der Rushdie-Frage verstanden.

Die Stärkung der anti-irakischen Front ist für die Briten zur Zeit weit wichtiger als ihre bisherige Forderung, Teheran müsse von der Mord-Fetwa Abstand nehmen. Iran mit seiner 1.200 Kilometer langen Grenze zum Irak spielt nämlich in dem weltweiten Embargo gegen Bagdad eine wichtige Rolle. Die islamische Republik ihrerseits ist bestrebt, durch die Zusammenarbeit mit dem Westen in der Golfkrise aus der bisherigen wirtschaftlichen und politischen Isolation herauszukommen und hofft, mit Hilfe der Supermächte erneut jene Stellung einzunehmen, die das Land einst unter dem Schah innehatte: eine nicht-arabische Ordnungsmacht am Golf. Dafür werden die Mullahs, ausgekochte Machiavellisten, Wege finden, um die leidliche Rushdie-Affäre ein für allemal zu beenden — mit Happyend — versteht sich. Der Weg hierfür kann nur über die ilm al-hial, die Wissenschaft der Tricks, laufen. Diese ist ein integraler Bestandteil der islamischen Theologie und lehrt, wie man die religiösen Ge- und Verbote umgehen kann, ohne Allah zu erzürnen.

So ist es zum Beispiel möglich, Salman Rushdie für verrückt zu erklären und von seiner Exekution abzulassen. Auch im Islam sind Narren und Kinder für ihre Untaten nicht verantwortlich. Ahmad Taheri