Signal für die Frauen

■ Berliner Quotierungsgesetz ist glücklich verabschiedet

Berlin (taz) — Für die Frauen von SPD und AL waren die letzten Wochen eine nervenaufreibende Zitterpartie: Binnen kürzester Zeit mußte das Landes-Antidiskriminierungsgesetz (LADG), das Paradestück rot- grüner Frauenpolitik in West-Berlin, die parlamentarischen Prozeduren durchlaufen, um es noch vor den Berliner Neuwahlen bzw. dem Beitrittstermin am 3. Oktober verabschieden zu können. Am späten Freitagabend war es dann tatsächlich soweit: in einer Sondersitzung des Abgeordnetenhauses wurde das LADG angenommen (sowie weitere wichtige Gesetze der rot-grünen Koalition, wie das kommunale Ausländerwahlrecht). Diese werden nun in einem „Mantelgesetz“ zum Paket geschnürt und sollen von der Ostberliner Stadtverordnetenversammlung en bloque übernommen werden.

Und damit ist, gerade für die Frauen aus dem Ostteil der Stadt, viel erreicht. Denn angesichts steigender Frauen-Erwerbslosigkeit wird zumindest der öffentliche Dienst (die Verwaltungen, die Schulen und Universitäten, die Gerichte, Rundfunkanstalten, Krankenhäuser usw.) zur Frauenförderung verpflichtet; bei Einstellung und Beförderung sind Frauen künftig solange bevorzugt einzustellen, bis eine Quote von mindestens 50 Prozent erreicht ist. Nun kennen auch andere Bundesländer wie Nordrhein-Westfalen und Hamburg „Gleichstellungsgesetze“, aber das Berliner Gesetz betritt in mehrfacher Hinsicht Neuland. Erstmals soll ein Instrumentarium ausprobiert werden, das in den USA zu beachtlichen Erfolgen geführt hat: bei Aufträgen der öffentlichen Hand an die Privatwirtschaft werden künftig die Betriebe bevorzugt, die „ausweislich“ Frauenförderung im Programm haben. Das gleiche gilt für die Vergabe von Subventionen. Dies hatte erwartungsgemäß den Widerstand der CDU und des Berlin-Brandenburger Unternehmerverbandes hervorgerufen, die mit diesem „Eingriff in die freie Unternehmenstätigkeit“ (so ein Verbandsvertreter) einen Verfassungsverstoß sehen.

Erfreulicherweise, auch das ein Novum, wurde im LADG die sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz aufgenommen. Vorgesetzte sind danach verpflichtet, eventuellen Vorwürfen nachzugehen. Denn häufig wird das Treiben amtsbekannter Platzhirsche stillschweigend geduldet. Nun drohen Männern, die Kolleginnen mit Gesten, Worten, Bildern belästigen, disziplinarechtliche Folgen.

Ganz ohne Schlupflöcher für die Männer geht es bei dem Berliner Gesetz allerdings nicht ab. Zwar gibt es für die Ausbildungsplätze eine sogenannte Ergebnisquote, d.h., 50 Prozent der Plätze müssen an Frauen vergeben werden, aber bei Einstellung und Beförderung soll die „Einzelfallgerechtigkeit“ für männliche Bewerber gewahrt bleiben. Immerhin sieht der Berliner Entwurf vor, daß Männer ihre einkommenslose Ehegattin nicht gegen die weibliche Konkurrentin ins Feld führen dürfen.

Abstriche gab es beim entscheidenden Begriff der Qualifikation: Weil die bisherigen Erfahrungen mit Förderrichtlinien zeigen, daß bei geforderter „gleicher“ Qualifikation Männer die besseren Chancen haben, wollten die AL-Politikerinnen nur die „erforderliche“ Qualifikation zum Kriterium machen. Das konnten sie gegenüber der SPD nur teilweise durchsetzen: Bei Einstellungen gilt nun die „erforderliche“, bei Beförderungen die „gleichwertige“ Qualifikation. Überwacht und kontrolliert wird das LADG von (hauptamtlichen) Frauenvertreterinnen, die für jede Dienststelle zu wählen sind.

Ganz ist die Zitterpartei allerdings noch nicht ausgestanden, denn der Präsident des Abgeordnetenhauses kann bei Landesgesetzen eine dritte Lesung beantragen, wenn begründete verfassungsrechtliche Bedenken bestehen. Ob Jürgen Wohlrabe (CDU) von dieser Möglichkeit, das LADG nochmals zu verzögern und damit möglicherweise ganz zu blockieren, Gebrauch machen wird, ist noch offen. Die SPD- und AL-Frauen hoffen nun darauf, daß die CDU mitten im Wahlkampf vielleicht doch kein Interesse hat, sich als frauenpolitische Spielverderberin zu profilieren — und das Antidiskriminierungsgesetz passieren läßt. Helga Lukoschat