Die Rückkehr des verlorenen Sohnes

■ Ex-Präsident Ben Bella, „Held des algerischen Befreiungskrieges“, hat viele Gesichter PORTRAIT

Der 71jährige Ahmed Ben Bella, „Held des Unabhängigkeitskampfes“ und von 1963 bis 1965 erster Staatspräsident Algeriens, war stets ein wandlungsfähiger Politiker. Nach dem Zweiten Weltkrieg schloß er sich der algerischen Unabhängigkeitsbewegung an. 1947 wurde er Chef der paramilitärischen Geheimorganisation O.S., aus der später die „Nationale Befreiungsfront“ (FLN) hervorging. Um die Kasse seiner Organisation aufzubessern, betätigte er sich auch als Posträuber. Doch der Coup ging schief, und Ben Bella wurde von den Franzosen geschnappt. Dem Revolutionär gelang aber die Flucht aus dem Gefängnis. Er setzte sich nach Kairo ab und zählte schon bald zum legendären Komitee der „Neun Brüder“, das am 1.November 1954 den Aufstand gegen die Franzosen auslöste.

1956 fiel Ben Bella abermals in französische Hand. Für beinahe sechs Jahre verschwand er hinter Gittern. Doch die Jahre der Haft waren nicht vergebens, denn sie begründeten seinen Mythos als Märtyrer und Befreiungsheld. Nach seiner Freilassung 1962 gelang es dem wendigen Ben Bella, seine Gegner politisch kaltzustellen. Am 26.September 1962 wurde er Ministerpräsident der unabhängigen „Demokratischen Volksrepublik Algerien“. Zusammen mit Boumediene setzte er gegen den Willen bürgerlicher Politiker eine autoritäre Verfassung mit linkssozialistischen Tendenzen durch. Der Boden wurde neu verteilt, der Außenhandel verstaatlicht und die Industrialisierung des Maghrebstaates vorangetrieben. Noch 1962 verbot Ben Bella kurzerhand die KP und erkärte, die FLN — deren Generalsekretariat er ebenfalls bekleidete — zur alleinigen politischen Willensträgerin. 1963 wurde er auch zum Staatspräsidenten gewählt.

Im folgenden Jahr leitete er eine umfassende „Säuberungswelle“ ein, um all jene seiner alten Kampfgenossen kaltzustellen, die Kritik an seiner Politik wagten. Doch nur ein knappes Jahr später wurde Ben Bella selbst von seinen engsten Mitarbeitern unter Führung von Boumediene, damals Verteidigungsminister und Oberkommandierender der Streitkräfte, geschaßt. Einen öffentlichen Prozeß gegen den immer noch populären Ex-Präsidenten riskierte Boumediene freilich nicht. Nachdem Ben Bella zunächst den Palast der Republik mit einer ordinären Gefängniszelle vertauschen mußte, wurde er später unter Hausarrest gestellt.

Der Eindruck, Ben Bella habe sich während der langen Jahre seiner Haft vom Politiker zum Philosophen gewandelt, erwies sich als irrig. Im französischen Exil, wohin er nach seiner Freilassung 1980 emigrierte, nahm er schnell seine politischen Aktivitäten wieder auf. Freilich unter anderem Vorzeichen. Denn der ehedems radikale Sozialist Ben Bella zeigte ein so augenfälliges Interesse am Islam und islamischen Gesellschaftsvorstellungen, daß man ihn mit der islamisch-fundamentalistischen Bewegung in Algerien in Verbindung brachte. Spätestens seit 1982 ließ er keinen Zweifel mehr daran, die Führung in Algier wieder übernehmen zu wollen. 1983 geriet Ben Bella in die Schlagzeilen. In seinem Haus in Montmorency waren größere Waffenbestände gefunden worden.

Im Mai 1984 gründete er in Paris die „Partei der Demokratie in Algerien“ (MDA), die — so Ben Bella — eine „pluralistische Demokratie“ in Algerien anstrebt. Seit Anfang 1989 trug er sich mit dem Gedanken, mit der MDA nach Algerien zurückzukehren und wieder aktiv ins politische Geschehen einzugreifen. In seiner letzten politischen Stellungnahme auf europäischem Boden hatte man beinahe den Eindruck, den alten Ben Bella der 60er Jahre zu hören: „Man muß Saddam Husseins Schulden streichen und ihm helfen, sein Land aufzubauen.“ Auch gehe es nicht an, daß „nur wenige Familien von den Öleinnahmen profitierten.“ wasa