“Wir mußten gehorchen“

■ Lea Rosh las in Bremen aus ihrem Buch „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

Schon lange vor Beginn ist die Bremer Stadt-Bibliothek ungewöhnlich voll. Als die Fernsehjournalistin Lea Rosh mit der Lesung aus ihrem neuen Buch „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ beginnt, sitzen etliche der über 300 ZuhörerInnen bereits auf dem Fußboden.

Wie kam es während der Nazi- Zeit in den besetzten Ländern zu Kollaboration? Welche persönlichen Motive bewegten jene, die die Verletzung von Menschenrechten verweigerten? Das sind die Hauptfragen, denen Lea Rosh und der Historiker Eberhard Jäckel in ihrem gemeinsamen Buch anhand von persönlichen Schicksalen nachgehen.

Z.B. die Niederlande: Dort stellten die Juden, seit Jahrhunderten stark integriert, 1,5 Prozent der Gesamtbevölkerung dar. Als es am 9.Februar 1941 zu antijüdischen Ausschreitungen in Amsterdam kam, erhob sich — anders als in Deutschland — zunächst eine allgemeine Streikwelle, der sogenannte Februar- Streik. Später jedoch wurden 100.000 zur „Endlösung“ nach Auschwitz deportiert und „vernichtet“.

Was war geschehen? Lea Rosh hat mit vielen Holländern gesprochen, u.a. mit einer Besucherin des „Joods Historisch Museum“, einer Deutschen, die 1938 aus Köln nach Amsterdam gegangen war. Im August 1942 folgte sie zusammen mit Mutter und Schwester dem Aufruf der Nazis, sich zu melden. Warum war sie dem Aufruf gefolgt? Aus Angst? „Meine Familie meinte, und meine Großmutter spielte dabei die entscheidende Rolle, man solle keine anderen Leute in Gefahr bringen und sich einfach den Befehlen fügen.“ Was heißt andere Leute in Gefahr bringen? „Uns war angeboten worden unterzutauchen.“ Und? „Und meine Großmutter sagte: Nein, das können wir nicht machen. Wir müssen gehorchen.“ Von Auschwitz, das versichern auch andere, hätten sie nichts gewußt.

Nach der Lesung herrscht zunächst minutenlanges Schweigen. Dann erhebt sich ein Mann, er ist Holländer. „Ich bin stolz darauf, daß es in Amsterdam Leute gab, die versucht haben, den Juden zu helfen“, sagt er. „Es gab da eine Geschichte mit Beamten, die nicht gehorcht haben. Sie haben ihre eigene Behörde angesteckt, um zu verhindern, daß Karteikarten von Juden in die Hände der Nazis fallen.“

Erst nach zweieinhalb Stunden machen sich alle auf den Heimweg. Nachdem die meisten mit Geld und Unterschrift die von Lea Rosh ins Leben gerufenene Initiative unterstützt haben, den ermordeten europäischen Juden in Berlin ein Denkmal zu setzen. bz