Öffentliches Vorsterben satt

■ “Kulturzentren“ auf der 10. Kulturpolitischen Matinee „Lebendige Stadt“

Das werdende Foyercafe im „Theater am Leibnizplatz“ ist mit seiner Kleinheit, seinen halbrund ansteigenden Sitzreihen ein maximal gesprächsfördernder Ort, ideal für kleine Öffentlichkeiten wie die der 30 Leute, die die „Lebendige Stadt“ beim Thema „Kulturzentren“ anzog. Grade die Dialogoffenheit aber ließ Unterschiede und Spannung zwischen alten und neuen Zentren deutlich werden.

Vier Zentren stellten sich vor: Lagerhaus, Schlachthof, Haus am Deich und gewerkschaftliches Kulturzentrum, (das aber gerade so nicht heißen will), die ersten beiden von hochmotivierten Gruppen in zehn Jahren Stück für Stück erkämpft, die beiden letzten mit starkem kulturbehördlichem Impetus noch am Entstehen.

Das gewerkschaftliche oder auch Kulturzentrum Walle wurde vorgestellt von Rudolf Wenzel, Mitarbeiter des Referates für Kulturelle Breitenarbeit des Senators für Bildung, Wissenschaft und Kunst, der aber dennoch „nicht als Behörde reden“ wollte. Nichtsdestotrotz ist das auch behördlich umstrittene Zentrum mit dem umstrittenen Namen, für das ein Straßenbahndepot an der Waller Heerstraße umgebaut wird, eine Idee aus dem Kopf des Arbeitskreises Kultur beim DGB, die der verflossene Bildungssenator Franke zu realisieren sich anschickte, a) um Kultur unter die von der Fernsehdebilität bedrohten Arbeitnehmerschichten zu tragen, b) weil es billiger war als das ebenfalls geforderte Museum der Arbeit. Herausgekommen ist ein Projekt, „mit dem“, laut Wenzel,“ die Gewerkschaften selber nicht ganz glücklich sind“, bestückt mit Leuten, die die kulturelle Produktion der „industriell und gewerblich tätigen Arbeitnehmer“ fördern wollen, aber wissen, daß genau die „sich selber sowar gar nicht zutrauen“. Zumal man nicht nur „die Nordseewellen rauschen lassen will“, sondern „gegenkulturelle Ansprüche“ verwirklichen.

Auf der andern Seite der Skala das Kulturzentrum Schlachthof, vor 10 Jahren im Kampf gegen die SPD-Abrißpolitik entstanden, das all seine Stärken und Projekte von der Video-Werkstatt über die Zeitung bis zur Skate-Board- Bahn aus den Nutzer-Interessen gegen diese wortwörtlich als Betonierung erfahrene SPD-Banauserie durchgesetzt hat.

Fühlbare Wut bei den 'Altzentren–, daß sie von den Frankes und Scherfs als breitenkulturelle und jugendpolitische Bremer Trichter von Rostock bis Städtetag vorgeführt werden, während die Strategie der „Lebendigkeit durch Armut“ innerhalb der Stadt neue Initiativen mit den Ausbeutungsbedingungen der alten erpreßt(“Druckkostenzuschuß nein, der Schlachthof macht das auch über die Berufsschulen“); innerhalb der Projekte werden Leute in dem „Mief“ festgehalten, gehen aber „kaputt daran“ (Gerhard Suchow, Schlachthof); im „langsamen gemütlichen Elend“ der ABM-Kultur (Gönna Pezely vom Lager-Kinderhaus) schwinde die Phantasie genau wie die Fähigkeit zum durchsetzenden Widerstand, weil auch niemand die Projekte zumachen will, die einmal durchgesetzt sind.

Steigende Wut auch bei Lagerhaus und Schlachthof, daß die Senatsgießkanne sich auf neue Projekte wie Haus am Deich und Waller Zentrum ergießt, während die alten wie–s aussieht, unter Scherf genau wie unter Vorgänger Franke, ohne feste Stellen und Haushaltstitel im Stande des „Öffentlichen Vorsterbens“ (Gerhard Suchow) gehalten werden.

Uta Stolle