Haare färben — ein haariges Problem

■ Spitzenreiter der Berufskrankheiten: Hautallergien bei Friseusen / taz-Serie zum alltäglichen Gift (III)

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Über 40 Prozent aller Anzeigen von Berufskrankheiten in Bremen kommen aus dem Friseurbereich. Dies, obwohl die rund 1.200 MitarbeiterInnen bei 380 Friseuren nur einen sehr geringen Anteil an den Gesamtbeschäftigten in Bremen haben. Die staatlichen Gewerbeärzte in Bremen hatten in den vergangenen zwei Jahren 110 und 150 berufsbedingte oder zumindest durch den Beruf beeinflußte Hautkrankheiten zu begutachten.

In der Umweltbehörde sind die Friseure noch nicht aufgefallen: Sämtliche Untersuchungen (in Bremen und in Oldenburg) haben bisher keine Anhaltspunkte für gefährliche Stoffe im Abwasser ergeben. Auch die entsprechende „Abwasserherkunftsverordnung“ der Bundesregierung läßt die Haarfärber unbehelligt. Doch was die Ingenieure auch mit feinsten Meßmethoden im Abwasser nicht mehr aufspüren können, das hat zuvor bereits allerhand Unheil im Arbeitsalltag der Friseusen angerichtet.

Dauerwellflüssigkeit, Ammoniak in den Färbemitteln und Wasserstoffsuperoxid für's Blondieren sind nur die vordergründigsten Stoffe, mit denen Friseusen-Hände dabei zu kämpfen haben. Wobei die Hände schon allein durch das häufige Haarewaschen (durchschnittlich 30 x pro Tag) mit konzentrierten Schampoos ausgelaugt, spröde und für chemische Hämmer leicht durchdringbar werden.

Um Locken oder Farbe ins Haar zu bringen, müssen Chemo- Hämmer herhalten: Sie müssen den natürlichen Schutzmantel des Haares aufbrechen. Dazu werden die Schwefelbrücken im Haar gelöst, alkalische Substanzen (z.B. Ammoniak) lassen die Schuppenschicht aufquellen, die Keratinfasern des Haares werden freigelegt. Für die Dauerwelle verschieben die Lockenwickler dann die Strukturen des Haares, es wird kraus und anschließend chemisch fixiert. Für eine Farbveränderung werden in das künstlich porös gemachte Haar durch starke Oxidationsmittel (z.B. Wasserstoffperoxid) andere Farbpigmente ins Haar eingeschleust, die eigenen Farbpigmente verdrängt oder zerstört. Auch dabei ist anschließend eine nicht weniger massive Fixierung nötig. Mancher Kundenkopf quittiert diese Eingriffe mit allergischem Nässen und Jucken der Kopfhaut.

Die Haarfärbemittel enthalten darüber hinaus aber noch etliche andere Stoffe, z.B. das eindeutig als Allergen eingestufte PPD (para-Phenylendiamin), das Allergen PTD (para-Toluylendiamin), sowie das hochgiftige Resorcin oder das nicht minder giftige Pyrogallol. In einer Untersuchung von 19 handelsüblichen Haarfärbemitteln hatte das Kölner Katalyse-Institut für angewandte Umweltforschung bis zu 1,5 % dieser Stoffe festgestellt. Und dabei ist seit Jahren bekannt, daß sie zu einem (wenn auch geringen) Teil in die Haut eindringen und vom Körper aufgenommen werden.

Eine dieser Substanzen, die Färbechemikalie para-Phenylendiamin (ein Schwarzfärber), war in Deutschland von 1906-1985 schon einmal verboten: weil sie Kontaktallergien ausgelöst und bei Pelzfärbern zu Asthmaanfällen geführt hatte. Doch nachdem ihre Ersatzstoffe wegen Krebsverdachtes „als noch bedenklicher“ verboten wurden, kam PPD zurück ins Geschäft. Es ist lediglich deklarierungspflichtig.

Die Zeitschrift „natur“ stellte in ihrer „bio-Beilage“ im Juni fest:

Schon 1987 habe das Bundesgesundheitsamt vor Färbemitteln mit „sekundären Aminen“ gewarnt, weil die in Verbindung mit Luft u.a. Nitrosamine bilden, die zu den „potentesten Krebsauslösern“ zählen. Internationale Studien hätten diesen Verdacht erhärtet:

Eine Untersuchung in New York ergab für BenutzerInnen oxidativer Haarfärbemittel ein um das Fünffache erhöhtes Risiko, an Brustkrebs zu erkranken.

Englische Statistiken weisen aus, daß Friseusen häufiger an Brust-und Gebärmutterkrebs sterben als andere Frauen.

Das dänische Krebsregister stellt eine um das Doppelte erhöhte Rate aller Krebsarten bei Angehörigen dieser Berufsgruppe fest.

Die bundesdeutschen Rentenversicherungsträger machten Krebs als signifikant häufigeren Grund für Friseusen aus, in Frührente zu gehen.

Öko-Bewegung in der Branche

Berufsgenossenschaft, Innungskrankenkasse und das Friseurhandwerk selbst versuchen mit zahlreichen Maßnahmen, der Entstehung von Hautkrankheiten und Allergien vorzubeugen. Bei chemischen Behandlungen empfehlen sie den KollegInnen Schutzhandschuhe und Hautcremes (die Kosmetik-Industrie hat den Markt bereits erkannt und einen Schutzschaum als „flüssigen Handschuh“ entwickelt).

Sie empfehlen auch, auf Färbemittel weitgehend zu verzichten und stattdessen die weniger aggressiven Tönungen zu benutzen: Sie legen, wie die natürlichen Henna-Produkte auch, lediglich Farbpartikel um's Haar. Aber: Der Bremer Chemiker Mehmet Cetinkaya (vom Labor für Rückstandsanalytik) hat gerade entdeckt: Die Henna-Produkte enthalten ebenfalls Schadstoffe. Zum Beispiel Pestizid-Rückstände wie Lindan und DDT (0,01 bis 21,8 Milligramm pro Kilo Henna-Pulver). Besonders dreiste Kosmetik-Produzenten mischen sogar das oben genannte Phenylendiamin bei.

Wenn die nächsten Lehrverträge abgeschlossen werden, wollen Innungskrankenkasse und Friseurhandwerk zusammen mit der Uni Osnabrück ein spezielle Beratungsstelle in Bremen einrichten. Dort können und sollen die LehrlingsanwärterInnen sich vor Beginn ihrer Berufsausbildung kostenlos auf Allergien testen lassen. Ihnen wird außerdem eine gesunde Ernährung mit „speziellen Vorschlägen“ für ihren Berufsstand nahegelegt: u.a. sollen sie viel Milch trinken, Obst und Gemüse essen, gesundes Schuhwerk tragen, den Blondierbrei nicht einatmen und das Rauchen lassen.

Die Friseur-Innung arbeitet überdies massiv am Umweltbewußtsein ihrer Mitglieder. In Rundschreiben informiert sie immer wieder zu wasser-und energiesparenden Arbeitstechniken. Immer mehr Friseure benutzen die Portionsfläschchen zum Nachfüllen aus Litergefäßen, um Abfall zu reduzieren. Aluminiumfolien, wie sie zum Strähnchenfärben gebraucht werden, bringen sie zum Recyclinghof, Plastik-Abfall zur Annahmestelle nach Gröpelingen.

Die Industrie reagiert auf das Umweltbewußtsein: Haarsprays sind FCKW-und Trockner asbestfrei, ein Kosmetikkonzern bringt demnächst eine kompostierbare Verpackung auf den Markt. Birgitt Rambalski