Wagners »unseriöse« Autobahn

■ Pläne zur Verlängerung der Stadtautobahn nach Ost-Berlin nicht seriös zu begründen/ Ausstellung zeigt verheerende städtebauliche Konsequenzen/ Wagners Chefplaner trotzdem dafür

Berlin. In den Augen der Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr (IGEB) ist einer Weiterführung des Stadtautobahnringes von Tempelhof über Neukölln nach Ost- Berlin »derzeit nicht seriös begründbar«. Derartige Absichten entsprängen »vorrangig ideologischen Vorstellungen« über Prioritäten in der Verkehrspolitik, heißt es in einer von der IGEB gestalteten Ausstellung »Autobahnen durch die Stadt?«, die seit Freitag in den Räumen des Vereins »Stadt-Tor« im U-Bahnhof Schlesisches Tor gezeigt wird.

Bisher gebe es keinen verbindlichen Flächennutzungsplan, der Aussagen über Nutzungsverteilungen und -beziehungen treffe, argumentiert die IGEB im einzelnen. Auch könne niemand voraussagen, wie sich Berlin in Zukunft ökonomisch entwickle, wie sich bisherige Wirtschaftsstandorte im Hinblick auf die Verkehrsentwicklung veränderten oder wie sich die Verkehrsströme unter den Bedingungen allseits offener Straßen verteilten. Anhand von Farbfotografien veranschaulicht der Fahrgastverband einige der möglichen Probleme, die bei einer Verlängerung des Stadtautobahnringes auftreten könnten.

Unumgänglich seien etwa die Eingriffe in die wertvolle Bausubstanz entlang der Straße Am Treptower Park. Am Rande des Parks entstanden um die Jahrhundertwende eine Reihe von alten Bürgerhäusern, von denen heute einige unter Denkmalschutz stünden. Die überwiegende Zahl der Häuser wurde nach Kenntnis der IGEB instandgesetzt oder modernisiert. Andernorts in Ost-Berlin würde ein Autobahnerweiterungsbau ebenfalls nicht ohne massive Eingriffe in die gewachsene Stadtstruktur abgehen, so das Fazit der Ausstellung. Die wesentlichen Folgen neben dem Abriß denkmalgeschützter Gebäude: Der Verlust von Wohnraum, die Zerstörung bzw. erhebliche Beeinträchtigung von Landschafts- und Erholungsräumen, eine Vernichtung von Gewerbebauten und -flächen, neue Barrieren zwischen den Stadtteilen und eine Zunahme der Belästigung durch Lärm und Abgase [und eine Steigerung von Unfällen und damit mehr Verkehrstote! d. säzzer]. Dabei wäre nach IGEB-Auffassung auch eine neue Hauptverkehrsstraße anstelle einer Autobahn »kaum stadtverträglicher«, brächte unter Umständen sogar noch mehr Krach und Gestank.

Für eine derartige »Stadtstraße« mit jeweils zwei Spuren in jeder Richtung gebe es mittlerweile eine »Vielzahl« von Trassenvarianten, sagte der zuständige Planer Erdmann Kühl aus der Verkehrsverwaltung auf einer Diskussion anläßlich der Ausstellungseröffnung. Diese »Planungsstudien« schon jetzt offenzulegen, hieße freilich »Öl ins Feuer« zu gießen. Allerdings beschwor Kühl die generelle Schwierigkeit, noch leistungsfähige Stadtstraßen zu finden und plädierte zum Schluß doch für eine Autobahn. Es sei nämlich fraglich, ob Berlin einen Autobahnersatzbau bezahlen könne. thok

Bis zum 22. Oktober täglich von 14 bis 19 Uhr, außer montags; parallel präsentiert die Bürgerinitiative Stadtring Süd (BISS) die in einem Ideenwettbewerb erarbeiteten Vorschläge für die Entwicklung des von der Autobahnplanung bedrohten Neuköllner Kiezes rund um die Wederstraße.