Flachfilm

■ betr.: "Jesu Mundgeruch" (über David Lynches "Wild at Heart"), taz vom 20.9.90

betr.: „Jesu Mundgeruch“ (über David Lynches „Wild at Heart“), taz vom 20.9.90

Auf Eure Filmkritiken sollte man sich nicht mehr verlassen!

Der Film Wild at Heart bestätigt einmal mehr, daß man sich den überwiegenden Teil amerikanischer Filme einfach nicht antun sollte.

Schon in den ersten Minuten bekam ich den Eindruck, der Film sei von Marlboro, einer Dessous-Herstellerfirma und einem Farbchemie- Konzern gesponsert; letzteres manifestierte sich vor allem beim Anblick der schrill bemalten Lula (Laura Dern) beziehungsweise ihrer Filmmutter.

Die ständig in Unterwäsche herumstolzierende Lula lag dabei ungefähr auf einem ähnlich niedrigen Niveau wie Ingrid Steeger in ihrer „Glanzzeit“, verstärkt wurde dieser Eindruck insbesondere, wenn sie den Mund aufmachte: Selbst Angstschreie klangen bei ihr wie halbe Orgasmen.

Auch vom typisch amerikanischen Schwarz-Weiß-Klischée ließ dieser Film nicht ab: Alle Personen waren eindeutig in dieses Denkschema einzuordnen, was diesen Film keineswegs anspruchsvoller macht als das allwöchentliche Dallas.

Lulas Hirngespinste von der „Hexe aus dem Osten“, die ihre Filmmutter verkörperte, gehören wohl eher in die Zeit des „Kalten Krieges“.

Oberflächlicher Amerikanismus fand sich außerdem in Stereotypen wie „Oh, Babe“, die jeden Dialogteil mindestens drei- bis viermal durchsetzten. Sonst bestimmte vorgefertigte Action nach amerikanischem Muster das Bild, ohne einen minimalen Freiraum für eigene Phantasie offenzulassen.

Krönendes Finale dieses Flachfilms bildet — wie könnte es anders sein, natürlich — ein Happy End made in USA, nachdem Sailor (Nicolas Cage) die äußerst peinlich-kitschige Vision von der „guten Fee“ hatte. Diese Szene hätte wohl eher in einen Kinderfilm gepaßt. Der schmierigste aller schmierigen Songs bildete den Abschluß der Zumutung Wild at Heart: „Love me tender“, dann ging's wohl ab zum Standesamt, rein in die bürgerlich-heile Welt — American Way of Life.

In einem Punkt gebe ich Thierry Chervel recht: David Lynch hat die Leinwand tatsächlich „durchlässig“ gemacht — für eine große Blähung typisch amerikanischer Bilder, die einen unangenehmen Geruch verbreitet. Sabine Kiunke, Hilden