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Vorher nichts und danach nichts

Ist das der Niedergang linker Zusammenhänge? Beim Unentschieden von St. Pauli in Karlsruhe wehte keine einzige Totenkopffahne im Wildparkstadion  ■ Aus Karlsruhe Ulrich Fuchs

„Beim Fußball der Linken spielen wir nicht einzig und allein um zu gewinnen, sondern um besser zu werden, um Freude zu empfinden, um ein Fest zu erleben, um als Menschen zu wachsen.“ Mit solchen Thesen gab der Argentinier Cäsar Luis Menotti in den friedensbewegten Frühachtzigern, als sich der deutsche Fußball auf dem Weg ins Abseits befand, den zu Sozialdemokraten und Grünen gewordenen Alt-Achtundsechzigern noch einmal Anlaß und Gelegenheit, die Wunden früherer Kämpfe zu lecken.

Auf trockenen Tribünenplätzen, die sie sich inzwischen leisten konnten, und in den hoffähig gewordenen Sportteilen linker Zeitungen, durfte die eigene Ankunft im Parlamentarismus als die Zeit der (Fußball-) Revolte verbraten, oder doch zumindest als kulturelle Späterrungenschaft des Aufbegehrens abgefeiert werden.

Danach passierte lange Zeit nichts, bis Ende der Achtziger in den Fan-Kurven aller Stadien, in denen das Hamburger Team vom FC St. Pauli zu Gast war, die Totenkopfflaggen der Autonomen-Bewegung geschwenkt wurden, und vom radikal fortschreitenden Verlust aller verbindlichen Bezüge kündeten.

Aber diese groteske Identifikation hielt, jenseits ihrer lokalpatriotischen Ausprägungen, nicht lange. Und Volker Ippig, der vor Jahren noch den Klassenkampfcharakter der Partie seiner Mannschaft gegen den FC-Bayern München postulierte, und als Ex-Hausbesetzer zur linken Identifikationsfigur im Team avancierte, ist mittlerweile auf der Ersatzbank gelandet.

Auch im süddeutschen Raum, wo solche Entwicklungen oft etwas behäbiger verlaufen als andernorts, scheint der Bindungsverlust nicht mehr aufzuhalten. Keine Totenkopfflagge im Rund des Wildparkstadions. Und, durchaus exemplarisch, erzählte die neben mir sitzende Kollegin vom unlängst selbst miterlebten Zusammenbruch einer jener letzten Wohngemeinschaften, in denen die Ikea-Regale „Kiefer natur“ das letzte Jahrzehnt überdauert hatten, und wo seit langem ein Mannschaftsphoto des FC St. Pauli die Küchenwand schmückte. Die Hamburger selbst bestätigen diesen Bruch mit einem bestechenden Outfit. Nicht mehr die braunen Sudelhemden von früher wurden übergestreift, sondern ein Dress, das mit seinen gedeckten Farben — Trikot lila, gebrochen durch schwarze Längsstreifen, Hose schwarz und lila Strümpfe — wundervoll in die Stimmung des herbstlichen Spätsommertages hineinpaßte. Sonst paßte nichts.

Der KSC, wie schon im vergangenen Jahr mit einem deftigen Fehlstart in die Saison gegangen, schien vor lauter Angst vor einer weiteren Niederlage gar nicht erst voll auf Sieg spielen zu wollen. Und die Paulianer waren offensichtlich von Anfang an mit einem Punkt zufrieden. Die arg gequälten Zuschauer konnten nur einmal für zehn Minuten Hoffnung schöpfen, als die Karlsruher unerwartet in Führung gingen und die Partie bis zum Ausgleich offener geführt wurde. Danach war wieder nichts.

„Wir wollen Sternkopf wieder haben“, forderten die Fans angesichts dieser Zumutung. Der aber schmort derzeit unwiederbringlich auf der Bank der Bayern-Kapitalisten. Vielleicht ist das zumindest dem neuen großen Jungtalent des KSC, Mehmet Scholl, eine Warnung. Der von Trainer Winni Schäfer schon in der ersten Hälfte eingewechselte 20jährige sorgte jedenfalls für die einzigen Lichtblicke im unbeholfenen Angriffsspiel des KSC. Und gerade dort muß sich am dringendsten etwas tun, wenn der KSC wieder von dem Abstiegsplatz weg will, auf den er mit dem 1:1-Unentschieden gegen die Hamburger abgerutscht ist.

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