Abtreibung in Polen verboten

Polnischer Senat macht Weg zur Neuwahl des Präsidenten frei/In gleicher Sitzung Gesetzesinitiative zur Verschärfung der Abtreibungsbestimmungen verabschiedet/Frauen straffrei, Gynäkologen ins Gefängnis  ■ Aus Warschau Klaus Bachmann

Mit klarer Mehrheit hat der polnische Senat am Samstag eine Gesetzesinitiative verabschiedet, die ein völliges Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen beinhaltet. In der gleichen Sitzung billigte der Senat eine Verfassungsänderung, die den Weg zu einer vorzeitigen Neuwahl des Staatspräsidenten freimacht.

Der Entscheidung über das Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen war eine heftige Debatte vorausgegangen. Der neue Gesetzentwurf, dem der Sejm noch zustimmen muß, sieht Freiheitsstrafen für alle Personen vor, die eine schwangere Frau zu einem solchen Abbruch anhalten, überreden, zwingen, ihr dabei behilflich sind und die den Eingriff vornehmen. Frauen, die eine Abtreibung vornehmen lassen, bleiben dagegen straffrei. Diese letzte Regelung ist auch auf den Widerstand der polnischen Frauen zurückzuführen. Während der Abstimmung fand vor dem Senat eine Demonstration von Frauenverbänden statt.

Der umstrittene Gesetzentwurf wurde vor allem von einer Gruppe katholischer Senatoren befürwortet, die bereits letztes Jahr vor dem Wahlkampf versucht hatten, schärfere Bestimmungen durchzusetzen. Unterstützt von der katholischen Kirche, waren seither überall sogenannte „Projekte zum Schutz des ungeborenen Lebens“ entstanden. In Breslau arbeiteten Juristen und Universitätsdozenten einen Gesetzentwurf aus, in dem Föten bereits ab der Befruchtung volle Rechtspersönlichkeit eingeräumt wird.

Unterstützt wird die Verschärfung außerdem vor allem von christlich-national orientierten Mitgliedern des Parlamentarischen Bürgerklubs, der Bauernpartei und von den ehemals mit der PVAP verbündeten christlichen Gruppen PAX, Christsoziale Union und Sozialkatholischer Polnischer Verband. Gegen die Gesetzesinitiative sind die im Senat nicht vertretenen Sozialdemokraten und Teile des Bürgerklubs aufgetreten, wie etwa der Schriftsteller und Senator Andrzej Szczypiorski, der im Senat eine scharfe Rede gegen das Projekt hielt, ähnlich wie der Chef der Sozialistischen Partei, Jan Jozef Lipski.

Die Gegner der Initiative kritisieren vor allem, daß darin keine Ausnahme etwa für Bauchhöhlenschwangerschaften oder Vergewaltigungen vorgesehen sind. Senator Walerian Piotrowski, Befürworter der Initiative, verweist daher auf die im Strafgesetzbuch vorgesehene Güterabwägung durch den Richter: Es müßte also künftig bei jedem Schwangerschaftsabbruch bzw. bei jeder Frühgeburt eine Untersuchung eingeleitet werden.

Solche tiefen Eingriffe in die Intimsphäre von Frauen seien gleich mit mehreren von Polen ratifizierten internationalen Konventionen, wie etwa der UN-Menschenrechtskonvention, unvereinbar, erklärte der Vorsitzende der Senatskommission für Rechtsstaatlichkeit, Zbigniew Romaszewski. Lipski argumentierte, daß gerade Länder mit rigider Gesetzgebung die meisten Abbrüche verzeichnen.

Daß der Sejm dem Projekt zustimmt, gilt als eher unwahrscheinlich, da dort ganz andere Mehrheitsverhältnisse herrschen: Zu den GegnerInnen aus den Reihen des Bürgerklubs kommen noch die Abgeordneten der beiden Sozialdemokratischen Parteien, parteilose Ex- PVAP-Abgeordnete und die Demokratische Partei, die eine Verschärfung zumindest entscheidend mildern könnten. Immerhin scheint nun zu gelingen, was letztes Jahr durch den Plebiszitcharakter des Solidarność-Wahlkampfes verhindert wurde: Die Abtreibung wird zum Wahlkampfthema.