Strategische Neuorientierung notwendig

■ Die RAF-Gefangene Eva Haule zur „Staatsschutzpropaganda“ DOKUMENTATION

An den Behauptungen, die jetzt vom Staatsschutz via 'Stern‘ lanciert werden: „Entführung zur Freipressung von Gefangenen geplant“, „Pohls Knastparole: Endsieg angesagt“, „Neuer Hungerstreik“ usw. stimmt NICHTS:

Zu den Lügen über die Hafenstraße haben die GenossInnen schon selbst das Richtige gesagt.

Diese ganze Kampagne ist wieder ein genaues Beispiel für die Staatsschutz-„Realität“, die mit der Wirklichkeit nichts zu tun hat. Aus Helmuts Text, der in allem auf eine ganz andere politische Entwicklungsrichtung orientiert als die behauptete, reißen sie einzelne Worte raus, setzen sie neu zusammen und benutzen sie zu einer massiven Propaganda, die unsere Vernichtung vorbereiten soll.

Es sieht so aus, daß der Staat die Auseinandersetzung um unsere Situation und Politik wieder zurückkatapultieren will auf die Linie der Eskalation der 70er Jahre, die '77 im Tod von vier Gefangenen kulminierte.

Das alte Ziel, die alten Methoden.

Sie steuern auf eine Zuspitzung zu, um mit uns diesmal und rechtzeitig zum Start ins „neue Deutschland“ endgültig Schluß zu machen; das ist der einzige Zweck dieser Propaganda, wie aller Maßnahmen systematisch seit einem Jahr und wie immer gezielt gegen einzelne von uns.

Alles wie gehabt, die „schlechte Unendlichkeit“ im Vorgehen der Akteure des Apparats in der Auseinadersetzung mit der RAF und uns Gefangenen.

Wir wollen sie nicht. Sie ist jetzt irrational und enthält nichts Produktives mehr.

Für uns nicht, weil die Frage, ob es dem Staat gelingt, die Gefangenen zu zerstören und so die Politik der RAF zu ersticken, politisch entschieden ist und wir längst an einem anderen Punkt unserer Entwicklung sind. Das konnte jede/r sehen seit zwei Jahren. Und für den Staat nicht, weil er sein Ziel nicht erreichen wird. Sie sind vielleicht stark genug, einzelne von uns zu töten und über alles wegzugehen, was sich an Widerstand und Protest hier wie international entwickelt, aber sie können die Gefangenen und die RAF weder zur Kapitulation erpressen noch in eine sinnlose Eskalation zwingen.

Und eins muß doch klar sein:

Auch wenn es so ist, daß die jetzt 20jährige Kampfgeschichte und Erfahrung in der Metropole, nicht nur unsere, sondern die aller, und die veränderten globalen politisch-gesellschaftlichen Bedingungen eine strategische Neuorientierung verlangen und möglich machen — davon gehen wir aus, alles was wir seit zwei Jahren schreiben und tun sagt genau das und wenn es noch nicht begriffen wurde, zeigt das nur noch einmal deutlich die Notwendigkeit der Teilnahme der Gefangenengruppe an der gesamten politischen Diskussion — also auch wenn es so ist, bleibt aber die ungebrochene Vernichtungsstrategie gegen uns Gefangene objektiv eine Verpflichtung, den Kampf auch bewaffnet zu führen. Das ist überall auf der Welt so, wo es politische Gefangene und Guerillakampf gibt.

Und es geht dabei nicht allein um unser Leben, sondern um die Frage, welche politische Entwicklung hier möglich gemacht wird, in welche Richtung sich die ganze Auseinandersetzung hier jetzt bewegt.

Aber die Raktionäre scheinen so zu kalkulieren:

In Deutschland muß Friedhofsruhe herrschen und was bedeuten schon einige tote Gefangene für eine Macht, die weltweit alles unter ihren Stiefel kriegen will. Es wäre, wenn es so kommt, schließlich nur der ihren Zielen entsprechende Anfang; dann wüßte jede/r gleich, was das ist, „Deutschland“. In Kontinuität.

23.9.1990, Eva Haule, Gefangene aus der RAF