Auch die FDP will jetzt Zwangsberatung

Nürnberger Parteitag beschloß modifizierte Fristenlösung mit obligatorischer Beratung  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Nach der SPD will nun auch die FDP mit der Forderung für eine Fristenregelung mit obligatorischer Beratung in den gesamtdeutschen Wahlkampf ziehen. Von den vollmundigen Plädoyers der FDP-Frauen um die Staatsministerin im Auswärtigen Amt und stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende, Irmgard Adam- Schwaetzer, für eine Fristenlösung ohne Zwangsberatung blieb in der Diskussion auf dem Parteitag in Nürnberg nichts übrig. Es war sogar ein Mann, der kritisierte, daß die Debatte in dieser Frage in der FDP von älteren Männern dominiert ist: Dr.Nolle vom Landesverband Schleswig-Holstein, dessen Antrag für eine generelle Fristenlösung mit großer Mehrheit abgelehnt worden war. Bereits vor der Diskussion des Wahlprogramms im Arbeitskreis „Wirtschaft, Steuern, Soziales und Gleichberechtigung“ versuchte Adam-Schwaetzer die FDP-Frauen auf einen Antrag vom Landesverband NRW einzustimmen, der eine „modifizierte Fristenlösung mit obligatorischer Beratung“ vorsieht. Das Thema Abtreibung sollte nicht Hauptstreitpunkt des Wahlprogrammparteitages werden.

Nach dem Umfallen der FDP-PolitikerInnen in der Abtreibungsfrage bei den Verhandlungen zum zweiten Staatsvertrag hatte sich noch unter Federführung von Adam-Schwaetzer ein „Verein Liberaler Frauen“ konstituiert, der sich eine Fristenlösung mit Rechtsanspruch auf anonyme Beratung zum Ziel gesetzt hatte. In Nürnberg favorisierte die Staatsministerin jedoch den NRW- Antrag, in dessen Mittelpunkt der Schutz des ungeborenen Lebens steht. Diesen habe die seit 1976 gültige Indikationslösung allerdings nicht zu bewirken vermocht. Deshalb forderte der Landesverband NRW, daß der Schwangerschaftsabbruch während der ersten drei Monate straffrei bleibt, „wenn die Schwangere sich zuvor hat beraten lassen“. Die Beratung soll eine „Hilfestellung und keine Gewissensprüfung“ sein. Ein Protokoll soll es nicht geben, da nur die Tatsache der Beratung, nicht aber ihr Inhalt für die Frau und den einen Abbruch durchführenden Arzt nachweisbar sein muß. Flankiert wird diese Regelung durch ein Konzept zur Verbesserung der Aufklärung und Verhütungsberatung sowie der Rahmenbedingungen für eine kinderfreundliche Gesellschaft (z.B. Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz, verbessertes Angebot von Ganztagsschulen). Ein Hinweis auf eine generelle Straffreiheit der Schwangeren, wie ihn die SPD in Berlin beschlossen hatte, fehlt in dem NRW-Antrag.

In der einstündigen Debatte am Sonntag morgen wurde deutlich, daß selbst diese Vorlage vielen FDP- Männern zu weit geht. „Es gibt auch Frauen, die abtreiben, weil ein dicker Bauch das Liebesleben stört“, behauptete dreist der Delegierte Lehmann. Sein Kollege Heitmann forderte eine zusätzliche inhaltliche Reglementierung der Beratung. Diese müsse geeignet sein, „auf die Fortsetzung der Schwangerschaft hinzuwirken“.

Zauberformel für alle GegnerInnen einer Fristenlösung ohne obligatorische Beratung war der Verweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1975. Eine Neuregelung des §218, so der rechtspolitische Sprecher der FDP-Landtagsfraktion NRW, Heinz Lanfermann, müsse „wasserdicht“ sein. Liberale Politik dürfe nicht versuchen, „gegen eine Wand Sturm zu laufen“. Der Einwand der hessischen Landtagsabgeordneten Gisela Babel, daß man sich nicht allein an dem BVG-Urteil von 1975 orientieren solle, von dem sowieso nicht klar sei, ob es einer neuerlichen Überprüfung überhaupt standhalten würde, erzielte keine Wirkung. Babel appellierte umsonst an den Parteitag, man sollte den „Mut haben, auf die obligatorische Beratung zu verzichten“. Merve Pagenhardt aus Bremen erinnerte an den Widerstand der FDP- Bundestagsfraktion gegen das Beratungsgesetz der damaligen Ministerin Süßmuth. Jetzt sei die Chance für eine Fristenlösung ohne Zwangsberatung da.

Am Ende der im Arbeitskreis teilweise hitzig geführten, aber von Zeitmangel diktierten Diskussion erhielt der NRW-Vorschlag eine breite Mehrheit, ebenso später im Plenum. Die inhaltiche Reglementierung der Beratung wurde mit großer Mehrheit abgelehnt. Einige Delegierte kritisierten hinter vorgehaltener Hand die Parteitagsregie, mit der das Abtreibungsthema an den Rand gedrängt worden war.