Die Welt als Harfe

■ Rüdiger Oppermanns „Harp Attack“: Indisches Jazzrockia

Der gemütlich rundliche Harfenspieler Rüdiger Oppermann wäre insgeheim gerne ein fetziger Rockgitarrist.

Der Verdacht drängt sich jedenfalls manchmal in seinem Konzert auf: etwa, wenn er sich eine kleine rotlakierte Harfe vor die Brust schnallt und damit auf der Bühne herumtanzt oder seine selbstentwickelte „Awen“-Harfe so mit Echo-Hall-und Wawa-Effekten verzerrt, daß sie wie eine E-Gitarre klingt. Wenn er dann auch noch wie ein Gitarrist phrasiert und „Marbles“ von John Mclauglin zitiert, ist nicht mehr viel „Harp“ in seiner „Attack“. Diese Ausflüge ins gefällige, aber auch beliebige Jazzrockia verzeiht man ihm gerne.

Ein wenig wirkt er wie ein Globetrotter, der überall auf der Welt herumfährt und Musik sammelt, aber zwischendurch immer mal wieder auf seinem Walkman uralte Pink Floyd- oder Jimi Hendrix-Cassetten hört. So präsentiert uns Oppermann eine verwegene Mischung, aber sein guter Geschmack und die gut ausgesuchten Mitmusiker bewahren ihn vor den Untiefen der modischen „Weltmusik“; bei der oft nur die Klischees der verschiedensten Musikkulturen oberflächlich aneinandergereiht werden. Oppermann spielt die keltische Harfenmusik aus Irland und die afrikanische Harfe (die aus einem mit wenigen Saiten bespannten Bambusrohr besteht) mit der gleichen Spielfreude und Virtuosität wie asiatisch inspirierte Eigenkompositionen oder israelische Tänze.

Heinrich von Kalnein verstärkt auf dem Sopransaxophon die jazzigen Einflüsse. Martin Hohwalter liefert zugleich das harmonische Gerüst, die Baßlinie an den Keyboards und spielt auch noch die lateinamerikanischen Rhythmusinstrumente. Sein Gegenpol ist dabei der Inder Jatinder Thakur, der sich durch sein intensives und hochkompliziertes Tablas- Spiel als eigentlicher Star des Abends entpuppte.

Oppermann ließ seiner Gruppe viel Raum und spielte sich nie in den Vordergrund. Ein Höhepunkt des Abends war eine lange Perkussionseinlage, bei der das ganze Ensemble verblüffend synchron trommelte, klapperte, rasselte und gongte. Oppermann hat einen Weg gefunden, die Harfe von den süßlich schwelgenden Tönen zu befreien.

„Troubadourix' Rache“ heißt eines seiner Stücke, und genauso wirkt er auch: wie ein schelmischer Kelte, der etwas zuviel Wildschwein gegessen hat. Willy Taub