Zette‘s Ärschchens Glamour

■ Ganz ultra irre Top-Eröffnung von Volker Hinz– „Area Photographs“ im Forum Böttcherstraße

Fotografen wimmeln durch den Publikumsverkehr, es blitzt und blitzt, und ringsumher schreitet, Lampe erhoben, ein langer Beleuchter, hinterdrein die RTL- Fernsehkamera. Halb Bremen von Kunst-Welt ist da, frisch geschneuzt und gekämmt großteils; allein das lauthals posaunte Ereignis, als es eintrifft, ist vor aller Augen arm und bloß. Weil sie schon mal da sind, zerreißen die anwesenden Medien freudlos das bißchen Beute.

Also: Volker Hinz, mordsmäßig erfolgreicher Fotograf, hat in dem zu Lebzeiten verrucht gewesenen New Yorker Nachtclub AREA eine Menge Bilder gemacht (s. taz vom 28.9.). Das Fotoforum Böttcherstraße stellt 115 davon aus und hat, am Freitagabend, eine passen sollende Eröffnung inszeniert. O Manhattan!

Ein Dreckskerl haut einen mit Opferlammsaugen und macht ihm, Wahnsinn, die Hose kaputt, kreischend zerkreissägt eine E-Gitarre Obertöne; das bedeutet also Gewalt irgendwie, und wir wissen jedenfalls, was in Bremen gerade als dermaßen metropolitös gilt. Hui, da hinten steht tatsächlich auch eine Großbusige herum, genau. Man hat sie vom Hamburger Kiez, also ziemlich weit hergeholt. Später zieht sie ihr Oberteil aus, und ein ratloser Bild-Fotograf schnappt sich eilig ein paar Posen.

Die Bilder an den Wänden zeigen, wie, in AREA–s wechselnden szenischen Installationen, Mensch und Menschin nächtlich leben: als Innewohner der Performances, als Flaneur und Flagrantin in einer Welt aus nichts als Zeichen. Wir sehen Gesichter, Kostüme, blutige Kadaver, Maschinenpistolen. Und es sind bloß immer neue Kollektionen von Symbolen aus einem riesigen, aber nunmehr endgültig abgeschlossenen Vorrat. Man kann sich darin bewegen, und je durchgedrehter die Arrangements, desto amüsanter ist das vielleicht. Jedenfalls wirken die Leute auf den Bildern seltsam erlöst im Vergleich mit uns Verstörten, die wir, an den Bildern entlang, durch die lächerliche Club-Kopie des Fotoforums tappen.

Aber da ist noch, Wahnsinn, Zette selber, Zette, der Oberperformer vom Area, directly from. Am Anfang macht er, vorm Eingang, seine berühmte Stephanus- Performance, jedoch bloß die Discountvariante vollbekleidet am Kreuz, ohne Pfeile und Blut & Wunden. Und bloß eine halbe statt fünf Stunden. Dann aber geht er auf Fotovisite, der Schöne, als schrille Diva mit Perücke und gelb bestrumpfhost, das Ärschchen swingend. Und dann streift, ehrlich, Zette an mir vorbei und senkt einen irre professionellen Blick tauchsiedend in den meinen, und der Boden wankt. Jedenfalls ein großer Künstler. Manfred Dworschak

Bis 28.11. / Führung: Mittwoch, 20 Uhr.