Polizeizeugen im Zwielicht

■ Verteidiger des Sielwall-Punks reklamiert einseitige Ermittlungen

Wieviel Macht Polizeibeamte auf der Straße haben, stellt sich spätestens vor Gericht heraus. So die Essenz des Plädoyers von Rechtsanwalt Stucke für den Freispruch seines Mandanten, gestern vor dem Bremer Amtsgericht. Sein Mandant, ein Punk, war angeklagt, letzten Sylvester auf der Sielwallkreuzung Landfriedensbruch begangen und Widerstand gegen Beamte geleistet zu haben. Nach Aussage des Angeklagten hatte die Polizei ihn bei seiner Festnahme und in Polizeigewahrsam übel zugerichtet.

Davon wollten die beteiligten Polizisten, als Zeugen geladen, nichts wissen. Sie glänzten allerdings — trotz, wie Stucke vermutet, ausgeklügelter Absprachen — durch widersprüchliche Aussagen zum Tatgeschehen. Staatsanwalt von Bock und Pollach zog es deshalb vor, sich auf die Aussage des seiner Ansicht nach glaubwürdigsten polizeilichen Zeugen zu verlassen und beantragte hundert Tagessätze a' 10 Mark für den zivildienstleistenden Angeklagten.

„Sie glauben dem Zeugen wegen seines Berufes“, stellte Rechtsanwalt Stucke fest und zitierte ausführlich ein Beispiel aus der Rechtssprechung, in dem allein die Bemühungen der Polizei zur Verschleierung ausreichten, um ihre Glaubwürdigkeit in Frage zu stellen. Begründung für den Freispruch in dem angeführten Beispiel: Durch die Eingriffe der Polizei sei der Anspruch des Angeklagten auf ein faires Verfahren nicht mehr gegeben. Genau diesen Tatbestand reklamierte der Verteidiger für den vorliegenden Fall.

Schließlich, so Stucke, stünden Polizisten unter einem gewissen Erfolgszwang, Rechtfertigungen für ihre Handlungen zu finden. „Machtmißbrauch ist immer mitzudenken“, so Stucke. Aber dafür wären eben anders ausgerichtete Bemühungen in der Ermittlung notwendig.

Richter Mertens will sich „das alles durch den Kopf gehen lassen“. Die Urteilsverkündung ist am 9. Oktober um 8 Uhr in Zimmer 451.

bear