Warnschuß für Ungarns Regierende

 ■ Aus Budapest Tibor Fenyi

Die ungarischen Kommunalwahlen vom Sonntag haben den Parlamentsparteien einen unangenehme Überraschung beschert: 63 Prozent der Wähler verweigerten den Wahlgang, weshalb in einem großen Teil Ungarns das Quorum von 40 Prozent Wahlbeteiligung unterschritten wurde und die Wahlen wiederholt werden müssen. In den ländlichen Gemeinden unter 10.000 Einwohner reichte die Wahlbeteiligung hin — gewonnen haben aber vor allem parteiunabhängige Kandidaten. Auf ihr Konto gingen 2.037 von 2.930 gewählten Bürgermeistern.

Besonders unlustig waren die Wähler Budapests. Wer allerdings zur Wahl ging, sorgte für die dritte große Überrraschung dieses Wahltags: den haushohen Sieg des oppositionellen Bündnissses der Freien mit den Jungen Demokraten. Sie kamen auf gemeinsamen Listen auf 46 Abgeordnete, 54 bzw 46 Kandidaten kamen als Einzelbewerber einer der beiden Parteien durch. Nur 51 Vertreter des regierenden Ungarischen Demokratischen Forums schafften es, 16 Bewerber der Drei-Parteien- Regierungskoalition aus Forum, den Kleinen Landwirten und den Christdemokraten kamen durch. Sechs Mandate konnte die „gewendete“ Sozialistische Partei erzielen.

Der Vizepräsident des Forums, Ferenc Kulin, meinte, die Menschen hätten offensichtlich die Veränderungen nicht gespürt, die seit den Parlamentswahlen vom Frühjahr in Ungarn vor sich gegangen seien. Weniger selbstzufrieden zeigte sich ein Sprecher des Bundes Freier Demokraten: Das Ergebnis sei eine Mahnung. Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung vertraue keiner der Parlamentsparteien mehr.

Der Politologe Mihaly Bihary bezeichnete die geringe Beteiligung als Katastrophe. Sie deute auf Frustration, politische Verstörtheit und darauf hin, daß ein Großteil der Bürger die Bedeutung dieser Wahl nicht verstanden habe. Letzteres Argument verweist auf fehlende Gesetze über die lokale Selbstverwaltung sowie deren Finanzierung.