Ost-CDU „mit Leuchtkraft“ in Kohls Arme

Vereinigungsparteitag der CDU in Hamburg: Keine Diskussionen aber viele historische Momente/ Die Vergangenheit der Ost-CDU wird reingewaschen/ De Maizière ohne Widerstand gewestet  ■ Aus Hamburg F. Ferudastan

Helmut Kohl, der vor himmelblauem Hintergrund und Bildern deutscher Schlösser, Kirchen, Wiesen und Wälder stehende Ovationen entgegennimmt. Helmut Kohl, der schwungvoll Autogramme verteilt. Helmut Kohl, der blendend gelaunt, zu einer verpopten Fassung von Händels Largo in- und ausländische Gäste grüßt. Helmut Kohl, dem auch seine Widersacher voraussagen, er werde ein „traumhaftes Ergebnis“ bei der Wahl zum ersten gesamtdeutschen Parteivorsitzenden einfahren. Helmut Kohl der Recht hat: „Sie werden diesmal anders berichten müssen, als über die früheren Parteitage“, rief er in Hamburg feixend den JournalistInnen zu.

Krach in den Führungsgremien, Zoff zwischen Konservativen und sogenannten Reformern, geplante Aufstände gegen den angeschlagenen Vorsitzenden — all das, worüber sich ein Teil der Presse etwa beim letzten Parteitag hergemacht hatte, findet diesmal tatsächlich nicht statt. Diesmal wird gefeiert: Die CDU in Gestalt ihres Chefs Helmut Kohl.

Offiziell trifft man sich, die „Christlich Demokratische Union in Deutschland“ zu vereinigen, sprich die CDU-West in der CDU-Ost auch formal aufgehen zu lassen. „Wir verkünden“, „mit tiefer Freude“, „Augenblick großer Bewegtheit ...“, “freuen uns auf Deutschland“. Nachdem die Vorsitzenden der sechs Landesverbände in der DDR gestern Nachmittag ihr Sprüchlein zum Beitritt aufgesagt hatten und von Volker Rühe „herzlich willkommen geheißen“ worden war, war dieser Mittelpunkt des Parteitages allerdings schon abgehakt. Eine Aussprache über den Anschluß wollte offenkundig keine(r) der 750 Delegierten West und 250 Delegierten Ost. So war es auch geplant. Wegen Zeitmangel sei es „notwendig, die Diskussionsräume einzuschränken“, hatte Helmut Kohl schon bei der Eröffnung des Parteitages gemahnt.

Die gesamtdeutsche CDU ist eine größere bundesdeutsche CDU. Zweifel an einer solchen Vermutung widerlegte der Parteitag schon gestern schnell und eindeutig. Auf mögliche Unterschiede zwischen seiner West-CDU und der des Lothar de Maizière ging Helmut Kohl erst gar nicht ein. Im Gegenteil: Der Parteitag „führt zusammen, was gemeinsam entstanden ist und beendet über 40 Jahre gewaltsame Trennung“ beschied er in seiner Eröffnungsansprache. Um seine Partei nicht von der ehemaligen Blockpartei Ost-CDU absetzen zu müssen, erklärte Kohl die Union des Lothar de Maizière kurzerhand zum Opfer: „Verzweifelt habe sie im SED-Staat um Selbstbehauptung kämpfen müssen“; ihr Weg sei gekennzeichnet von „rücksichtsloser Unterdrückung durch das Regime, von menschlichem Versagen und von leichtfertigen Illusionen.“ Und: Die Geschichte der CDU in der DDR habe gezeigt, „daß die Leuchtkraft der Ideale von Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit nicht zu zerstören ist.“

Lothar de Maizière, dessen Wahl zum einzigen Stellvertreter Helmut Kohls ausgemachte Sache ist, folgte dem Kurs seines Herrn aus Bonn. Zwar seien in den „Anfängen der Zusammenarbeit unserer Parteien im Herbst 89“ “viele kritische Fragen“ gestellt und „aus Unkenntnis vorschnell manches Pauschalurteil gefällt“ worden. Dennoch hätten die Ereignisse des vergangenen Herbstes „viele Zeichen dafür gesetzt, in neuer Weise aufeinander zuzugehen.“ Hatte de Maizière noch vor kurzem getadelt, das „C“ müsse wieder eine größere Rolle spielen, so beschied er gestern nur noch neutral: „Das C muß unser gemeinsames Zukunftsprogramm sein.“ Dieses Wohlverhalten gegenüber der einst kritierten West-CDU und sein ausführliches Werben für jene, die sich „unter den Zwängen einer Diktatur“ arrangiert hatten, ließ aufhorchen: Seit Tagen schwirrt nämlich das Gerücht herum, de Maizière sei Stasi- Spitzel gewesen und dies werde wahrscheinlich in Kürze aufgedeckt.