Corinto: Wem gehört die Solidaritäts-Werkstatt?

■ Corintos neuer Bürgermeister wirft Bremer Verein „Betrug“ vor / KFZ-Mechaniker von Ausweisung bedroht

Bis heute ist die KFZ-Ausbildungswerkstatt in Bremens Nicaraguanischer Partnerstadt Corinto das einzige Solidaritätsprojekt, das tatsächlich funktioniert. Seit Februar werden dort die ersten acht Jugendlichen zum KFZ- Mechaniker und -Elektriker ausgebildet [vgl. zuletzt taz vom 13.9.). Doch jetzt ist die Weiterexistenz bedroht.

„Es gibt einen politischen Angriff auf das Projekt und auf dessen Leiter, Fritz Huber“, sagt Wolfgang Rieke vom Verein Städtesolidarität, der die Ausbildungswerkstatt mit finanzieller Hilfe aus Brüssel, Bremen und Köln aufbaute. Corintos neue Stadtverwaltung, der seit Mai nun wieder der Bürgermeister aus der Zeit des Diktators Somoza, Antonio Lara, vorsteht, wirft dem Solidaritätsprojekt „Betrug“ vor und droht seinem Leiter Fritz Huber mit der Ausweisung aus Nicaragua.

Auch ein Schlichtungsgespräch, das Henning Scherf im August in Corinto führte, hatte keinen Erfolg. In der kommenden Woche wollen nun sowohl Peter Diemer vom Bremer Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit als auch Wolfgang Rieke vom Städtesolidaritäts-Verein nach Nicaragua fahren, um über den Fortbestand der Ausbildungswerkstatt zu verhandeln.

Die beiden Bremer reisen mit sehr unterschiedlichen Interessen nach Corinto. Denn während das Landesamt für Entwicklungszusammenarbeit dafür sorgen will, daß die KFZ-Ausbildungswerkstatt in die kommunale Trägerschaft der neuen Stadtverwaltung zurückgegeben wird, will der Städtesolidaritäts-Verein den Vertrag verteidigen, mit dem er das Projekt zwischen der Wahlniederlage der Sandinisten und der Machtübernahme der neuen USA-freundlichen Regierung an einen privaten Verein übertragen hatte.

Über 300 solcher Vereine waren in der Zeit des Machtvakuums von Mitgliedern der sandinistischen Front gegründet worden, um Entwicklungs-und Solidaritätsprojekte, die ausländische Organisationen zuvor direkt mit staatlichen Stellen betrieben hatten, vor dem Zugriff der neuen Regierung zu retten. Leiter des Vereins, dem das Werkstattprojekt in Corinto übertragen wurde, ist der frühere sandinistische Bürgermeister Ramon Garache.

„Wäre das in irgendeinem anderen Land passiert, würde es jeder als eindeutige Manipulation brandmarken“, sagt dazu der Leiter des Bremer Landesamtes, Gunther Hilliges. Schließlich seien auch die öffentlichen Zuschüsse von inzwischen immerhin 700.000 Mark nicht für ein formal privates Projekt bewilligt worden.

Jetzt müßten alle Beteiligten wieder an einen Tisch gebracht werden, um die Trägerschaft der KFZ-Werkstatt, die mit Abstand das größte Entwicklungsprojekt in Corinto ist, an die neue Stadtverwaltung zurückzugeben. „Natürlich ist auch eine Zwischenform denkbar, bei der sowohl die Stadt als auch der sandinistische Verein Mitspracherechte erhalten“, schlägt Hilliges vor.

„Ungerechtfertigt“ findet dagegen der Städtesolidaritäts-Verein die Vorwürfe aus dem Bremer Landesamt. Schließlich sei in dem Vertrag mit dem sandinistischen Verein genau festgelegt worden, daß der Zweck der Werkstatt (Ausbildung von Jugendlichen und Wartung der städtischen Fahrzeuge) tatsächlich eingehalten wird.

In die neue Stadtverwaltung setzt der Verein dagegen kein Vertrauen. Aus Corintos Rathaus, so berichtet Wolfgang Rieke, sei das Gerücht zu hören gewesen, der neue Bürgermeister beabsichtige, die KFZ-Werkstatt — wenn er sie erstmal zurückgewonnen habe — an die staatliche Hafenbehörde zu verkaufen, um die völlig leere Gemeindekasse zu füllen. Der Verein dürfe seinen „politischen Seelenschmerz“ nicht zur Verhandlungsgrundlage machen, kritisiert Gunther Hilliges. Ase