■ NOCH 3375 TAGE BIS ZUM JAHR 2000
: Das Phantomauf dem Motorrad

Israels populärster Bankräuber ist wieder einmal davongekommen. Der große Unbekannte, der seit 21 Monaten der Schrecken aller Kreditinstitute im jüdischen Staat ist, entkam letztes Wochenende ein weiteres Mal ohne Schwierigkeiten. Er hatte gerade seine 20. Bank — die Jubiläumsbank sozusagen — erfolgreich geknackt. Der israelische Rundfunk hatte zunächst berichtet, der Dieb sei gefaßt worden. Doch am Ende stellte sich das als Irrtum heraus. Umgerechnet 6.000 D-Mark Beute machte er diesmal. Insgesamt hat der clevere Räuber damit schon rund 250.000 D-Mark eingesackt.

Die Taten des „Phantoms auf dem Motorrad“ gehören gegenwärtig zu den beliebtesten Gesprächsthemen in Israel. Der schlanke, große Mann hat bis jetzt, bis auf einen einzigen Fingerabdruck, keine Spuren hinterlassen. Er geht äußerst kaltblütig vor, seine Überfälle spielen sich blitzschnell ab. Er trägt immer einen Motarradhelm und ist mit einer Pistole bewaffnet. In Israel ist das Phantom inzwischen als „Ofnobank“ bekannt: Ein Wort, das aus Buchstaben der hebräischen Worte für „Motorrad“ und „Bank“ gebildet wurde. Der Räuber schlägt zwischen 10 und 12 Uhr zu. Er wendet sich stets der Kasse zu, die der Tür am nächsten liegt. Er ist etwa 1,80 Meter groß und schlank und trägt Cowboystiefel. Stets braust er auf einem roten Suzuki-Motorrad davon. „Er zog seine Waffe, zeigte sie allen und rief: ,Dies ist ein Überfall.‘ Dann ging er direkt zur Kasse“, berichtete Reuven Avrayham, Angestellter einer überfallenen Bank. „Er kümmert sich nicht um Alarmanlagen. Ich denke, daß er höchstens anderthalb Minuten in der Bank war.“

Über die Identität des Räubers sind schon wilde Spekulationen angestellt worden. So wurde die Vermutung geäußert, daß er ein ehemaliges Mitglied einer Kommandoeinheit der Armee oder ein ehemaliger Polizeioffizier sein könnte. „Ich glaube nicht, daß er aus der Unterwelt stammt“, sagte ein Kriminalbeamter im Armeefunk: „Ich glaube, er kommt aus einer guten Familie.“ „Es ist egal, ob er weitermacht oder aufhört“, meint Chaim Pinchas von der Kripo in Tel Aviv: „Ich kriege ihn!“ Aber daran glaubt im Augenblick noch niemand. „Ofnobank“ ist dabei ein Volksheld zu werden — solange bei seinen Überfällen niemand ernstlich zu Schaden kommt. Denn in der Bevölkerung ist der Bankenkrach von 1983 nicht vergessen, bei dem viele Sparer ihre Einlagen verloren. So sehen es die Israelis nicht ohne Schadenfreude, wenn Banken ihr Geld verlieren. Karl Wegmann