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■ Erstes deutsch-sowjetische Umweltinformationssystem eröffnet/ Umweltschützer wollen Datenmaterial austauschen und damit ein Gegengewicht zum Technologietransfer schaffen

Berlin (taz) — Keinen besseren Tag hätten sich die Öko-Wissenschaftler wünschen können: Eine Stunde, nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl in seiner Regierungserklärung das AKW Greifswald (und damit auch alle russischen Reaktoren) als unsicher verurteilte, eröffneten deutsche und sowjetische Umweltschützer das erste grenzüberschreitende Umweltinformationssystem.

Im Öko-Institut Freiburg wurde offiziell ein Computernetz zum Austausch ökologisch relevanter Daten in Betrieb genommen, dessen russisches Gegenstück im Maxim-Gorki- Institut für Weltliteratur in Moskau steht. Wie Stephan Kohler, einer der Projektleiter von „Öko-Inform“, erklärte, soll damit ein Gegengewicht zu dem derzeit stattfindenden Technologietransfer von West nach Ost geschaffen werden.

Es gelte zum Beispiel zu verhindern, daß die UdSSR zur Atom- und Sondermülldeponie des Westens gemacht würde. Die computergestützte „Informationsbörse“ soll Kontakte zwischen deutschen und sowjetischen Umweltorganisationen knüpfen helfen, die seither noch kaum etwas voneinander wußten. Im Gegenzug zu Kohl, der den Russen zur Lösung ihrer Reaktorprobleme nun bundesdeutsche Sicherheitstechnik verkaufen möchte, will Kohler über die Umweltdatenbank das Wissen um das deutsche Restrisiko liefern.

Das Informationssystem, das eineinhalb Jahre vorbereitet wurde, funktioniert auf zwei Ebenen: Zum einen werden in einer Öko-Datenbank größere Datenbestände archiviert (zur Zeit hauptsächlich Literaturverzeichnisse zu den Themen Energie, Wasser/Klima und Müll) — die dann als Disketten per Post ausgetauscht werden. Zum anderen wird die unmittelbare Kommunikation durch ein Mailbox-System garantiert. Dafür ist lediglich ein Personal- Computer und ein Modem zum Anschluß an die Telefonleitung notwendig, womit jeder Teilnehmer Texte empfangen oder selbst senden kann.

Den Russen, denen dafür allerdings die Ausrüstung fehlte, wurde die entsprechende „Hardware“ von dem zweiten deutschen Projektträger, Robin Wood in Bremen, zur Verfügung gestellt und nach Moskau geliefert. Insgesamt 320.000 DM und 100.000 Rubel seien bis jetzt für das Projekt ausgegeben worden, so Stefan Kohler. Ein Klacks im Vergleich zu den Summen, die bei Joint Ventures den Besitzer wechseln, was nur durch viele unentgeltliche Arbeitsstunden erreicht wurde. Generell soll das Informationssystem allen interessierten Personen und Umweltgruppen zur Verfügung stehen, weshalb neben kooperierenden Gruppen wie dem BUND, dem WWF oder Peter Dürrs „Global Challenger Network“ sogar das Bundesumweltministerium sein Schärflein zur Finanzierung des Projekts beitrug. Uli Schnabel