Konrad Weiß was er will

■ Vorsichtige Wahlwerbung durch Person und Argument

Er ist der mit der Fliege, der immer die Hand englisch in der Hosentasche hielt, wenn er in der Volkskammer Statements abgab, in denen öfter Worte wie res publica auftauchten. Er war der, dessen geschliffen-lockere Rechthaberei die Mehrheit des Hohen Hauses oft schon bei der bloßen Wortmeldung zu Intellektuellenhaß und plebejisch-gröhlendem Stühlewetzen hinriß: der Filmemacher Konrad Weiß aus Potsdam. Er hat „Demokratie jetzt“ mitgegründet. Jetzt wahlkämpft er sich für's Bündnis 90 in den Bundestag. Deshalb war er gestern in Bremen. Für seine Frau, die hier lebte, bis sie 1947 nach Schwerin ging, war sie der „Inbegriff dessen, wo sie immer hinwollte.“

Konrad Weiß gab eine Pressekonferenz, zusammen mit Ralf Fücks, dem Bremer Bundestagskandidaten der Grünen. Mit denen hofft er auf die Entwicklung von der „Zwangsehe zur Liebesheirat“. Fücks erhofft sich davon „ein Gegengewicht gegen die panische Defensive“, die im grünen Lager bei der Vorstellung von –Deutschland– grassiert. Außerdem eine Verstärkung der beiden Themen, die in Mitteleuropa zu den zentralen werden könnten, wenn mit dem 3. Oktober Sonnenkanzler Kohl „seinen Zenith überschritten“ haben werde: die ökologische Katastrophe und die Bürgerdemokratie.

Auch Konrad Weiß hofft für die Ex-DDR auf enttäuschte CDU- Wähler, will aber mit dem erwarteten „Trübsinn“ über die Einheit nicht dienen. Schließlich habe die „das politische Wollen der Bürgerbewegungen verwirklicht“, auch wenn er den nur von Männern gemachten Vereinigungsprozeß kritisiert.

In 45 Jahren habe sich „große Entfremdung“ zwischen den Deutschen entwickelt, gemeinsame Sprache transportiere nicht gemeinsame Bedeutung. „Die Probleme fangen erst an,“ was man in Bonn kaum merke, weil da die DDR „sehr weit weg“ sei, anders als in Berlin. „Da prallt alles aufeinander.“

Weiß, der Vorsichtige, (...“sind wir mehr im Widerspruch gewesen als im Widerstand“) antwortete auf Fragen statt Statements zu ballern: Gemeinsamkeiten mit den Grünen, ja. Z.B. sehen beide die Notwendigkeit, über eine gemeinsame Verfassung zu reden, um die Fremdheiten beredbar zu machen. Aber auch Differenzen: Die Grünen sehen weniger die Dringlichkeit, einen DDR-Mittelstand zu fördern, durch Entschuldung und steuerlich.

In der Sicherheitspolitik weist Weiß auf das Paradox von 7000 Offizieren hin, die die Bundeswehr von der Volksarmee übernommen habe, „Kader mit zutiefst verinnerlichtem Feindbild, die nun selbst dieser Feind sind.“ Sein Vorschlag: Sie herausschrumpfen durch jährliche Reduzierung der Armee bis hinunter auf 100.000. Und dazu den für's Militär enteigneten Boden in zivile Nutzung zurückführen, ungefähr acht Prozent der DDR!!! Uta Stolle