Kam der Sponsor mit Leibwache?

■ Philip Morris, die Kunst, die Schwulen und der BBK

Kaum hatten die sieben Aktivisten der Aids-Aktionsgruppe ACT-UP damit begonnen, in den Bildhauerwerkstätten des Bundesverbands Bildender Künstler (BBK) Flugblätter auszuteilen, da wurden sie auch schon hinauskomplimentiert. Die am vergangenen Wochenende eröffnete Ausstellung Werkspuren, die die Werke ausgewählter Philip-Morris-Stipendiaten vorstellt, sollte nicht durch die Kritik der Schwulengruppe an der Konzernpolitik des Sponsors gestört werden. Auf den Flugblättern hieß es: »Philip Morris brüstet sich weltweit und hier, heute abend, damit, Kunst zu fördern. Dieser Konzern fördert gleichzeitig in den USA einen rechtsextremen Politiker, welcher Kunst zensiert« und »für eine regressive Aids-Politik mit klarer Diskriminierung verantwortilich ist«.

Philip Morris, weltgrößtes internationales Zigarettenunternehmen und zweitgrößter Nahrungsmittelproduzent der Welt, gibt sich in der Tat nur in Europa als liberaler Förderer der freien Künste aus: In München unterstützt er das Kulturzentrum Gasteig, in Berlin bezahlt er jährlich sechs jungen Künstlern ein Stipendium und die Platzmiete in den Weddinger Bildhauerwerkstätten des BBK. In den USA jedoch subventioniert Philip Morris seit Jahren das Wahlbüro des ultrarechten Senators Jesse Helms, der mit schwulenfeindlichen Gesetzesänderungen erreichte, daß der weltweit größten Aids- Hilfsorganisation Gay Men's Health Crisis sämtliche Unterstützung durch die US-Regierung entzogen wurde. Auch im Kunstbereich übte das geldgebende Unternehmen dadurch indirekt bereits Zensur aus: Auf Betreiben Helms' wurde die Ausstellung des weltberühmten schwulen und mittlerweile an Aids gestorbenen Fotografen Robert Mapplethorpe abgesetzt, weil sie »obszöne Lebensstile« verherrliche. In den USA wurde daraufhin zu einem Boykott gegen die Zigarettenmarken »Marlboro« und »Philip Morris« aufgerufen, ein Boykott, der mittlerweile auch in Berlin zumindest von den Schwulen durchgehalten wird.

Die Flugblätter sollten nicht in der Halle verteilt werden, da die Aktion, so der Leiter der Bildhauerwerkstätten, Günter Reinhardt, das gerade stattfindende Rahmenprogramm gestört hätte. »Ohne den Inhalt der Zettel zu wissen, hab' ich sie gebeten, diese vor der Halle zu verteilen, was auch in Ordnung ging.« Doch beim Hinauskomplimentieren der ungebetenen Gäste blieb es nicht. Die Aktivisten beklagen, vier »Rausschmeißer« des Konzerns hätten sie gar noch über das öffentliche Gelände um die Werkstatt bis auf die Osloer Straße getrieben. Dort sei noch ein Herr zur Bewachung abgestellt worden und die Polizei gerufen worden, die aber nach einem freundlichen Gespräch wieder abgezogen sei. Ob der Hausherr, der BBK, ein solches Vorgehen mit seinem Selbstverständnis vereinbaren könne?

Während sich der Vorstand des BBK, Herbert Mondry, in einer Erklärung bereits entschuldigt hat, daß »ein Vorgehen von Sicherheitskräften der Firma Philip Morris GmbH gegen Berliner Künstler und Kunstinteressierte nicht verhindert werden konnte«, und für die Zukunft verspricht, einer »Zensur oder Behinderung von Äußerungen von Künstlern durch Philip Morris in unseren Bildhauerwerkstätten« vorzubeugen, bestreitet das Unternehmen jedwede Existenz dieser »Sicherheitskräfte«. »Das ist eine pure Verleumdung«, heißt es bei der Pressestelle der Berliner Niederlassung. »Wir haben keine Leibwächter engagiert.« Eine nähere Nachfrage ergibt, daß wohl einige Herren der für die Organisation der Ausstellung verantwortlichen Agentur dagewesen seien, den Namen der Agentur will man aber aus Gründen des freien Wettbewerbs nicht nennen. Die flugblattverteilenden »Herren« seien lediglich von Werkstättenleiter Reinhardt gebeten worden, die künstlerischen Darbietungen nicht zu stören. Auch Reinhardt will nichts von einer Aktivistenvertreibung wissen. »Ich kann es gar nicht wissen, weil ich nicht draußen war.« Von Sicherheitskräften des Konzerns ist ihm nichts bekannt.

Wer ist es dann gewesen? ACT UP beteuern, sie seien massiv am Austeilen der Zettel gehindert worden, ihre Aktion sei als »Nötigung« bezeichnet worden. »Von wegen Nötigung. Was Jesse Helms mit den Schwulen macht, das ist Nötigung. Hier geht's nicht um einen netten Abend, sondern um Politik. Und die geht nie ruhig vonstatten.« Reinhardt meint dagegen, »man kann nicht so ein im Vergleich zum Ausmaß der Kritik unbedeutendes Künstlerfest stören und kaputtmachen. Die wollten ja noch diskutieren und hätten sich mit dem bloßen Austeilen der Flugblätter nicht zufriedengegeben.« Das ehemalige Mitglied der Künstlergruppe »Odious«, seit fünf Jahren Leiter der Werkstätten, sieht in dem Clinch gar eine vom Vorstand des BBK mit vorbereitete »geschickt inszenierte Provokation«. Denn über dem Vorfall kam es zum Streit mit Herbert Mondry: »Er wollte die Leute reinholen, ich sagte, er solle es lassen, denn es war mittlerweile schon so unruhig, daß der Performancekünstler drohte, er werde aufhören. Da sind mir die Nerven durchgegangen, und ich habe ihm eine geknallt. Das kostet mich jetzt wahrscheinlich meine Stelle.«

Die Vertreibung der ACT-UPs — also nur ein Personalkonflikt? Doch auch mit Philip Morris will der BBK- Vorstand Gespräche führen: »Wir lassen uns nicht von einer Firma das Hausrecht nehmen.« Dorothee Hackenberg