AAA'90 — Alptraum oder Attraktion?

■ Heute öffnet die Auto-Ausstellung Berlin ihre Tore/ Zahlreiche Gegenveranstaltungen geplant

Berlin. Was darf's denn sein? Ein gediegenes Familienauto in gedeckter Farbe? Ein mintfarbenes Sportcabrio oder doch lieber 'n schwarzer GTI-Flitzer? In den Messehallen unterm Funkturm wurden der Deutschen liebste Kinder gestern jedenfalls geputzt und poliert, damit sie ab heute die Herzen der potentiellen KäuferInnen höher schlagen lassen. Die AAA'90, die Auto-Ausstellung Berlin, steht bis zum nächsten Sonntag unter dem Motto: »Autos — Trends — Ideen«.

Mit »Alptraum Auto Abschaffen« übersetzen AutogegnerInnen, die sich unter dem Kürzel UWS (Umweltschutzgruppen) zusammengeschlossen haben, die drei Buchstaben. Armin Sauer vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) sagte gestern auf einer Pressekonferenz, daß die Mehrheit der Menschen in Berlin nicht Auto führen. Dementsprechend würde die Minderheit der AutofahrerInnen die Stadtstruktur zerstören. Das Verkehrskonzept des rot-grünen Senats ginge zwar in die richtige Richtung, sei aber zu einseitig auf die Förderung des öffentlichen Nahverkehrs ausgerichtet. Der Senat, der die AAA offiziell unterstütze, setze sich zwar theoretisch für den Personennahverkehr ein, »de facto« forciere er aber zu sehr den Individualverkehr. Zum Beispiel würden die Verbindungsstraßen zwischen den Berliner Stadtteilen wesentlich schneller ausgebaut als die Bahnnetze. Und für eine sinnvolle Kombination von Rad und BVG sei bisher noch gar nichts getan worden. Mit der Ausstellung, so Sauer, werde nun wiederum der Autoverkehr verherrlicht.

Die Veranstalter der Ausstellung sehen das natürlich alles ganz anders. Die Automobilindustrie bringe Arbeitsplätze — in der Bundesrepublik lebe bereits jeder sechste Erwerbstätige direkt oder indirekt vom Auto. Matthias Kleinert, Direktor für Öffentlichkeitsarbeit bei der Autofirma mit dem Stern, erklärte gestern der Presse, wie wichtig die Autoindustrie gerade für Berlin sei. Zum einen für die Beschäftigungslage und zum anderen für die Menschen in »Mitteldeutschland«, die ja nun auch alle ein Auto kaufen wollen. An den Staat appellierte Kleinert, »verkehrsverflüssigende Maßnahmen« einzuleiten. Dann könne die Schadstoffbelastung »ungeachtet der weiteren Zunahme des Fahrzeugbestandes« stark verringert werden.

Die UWS werden die Ausstellung mit zahlreichen Gegenaktionen begleiten. Gestern bauten Mitglieder der UWS ein Staucafé in der Charlottenburger Otto-Suhr-Allee auf. Während AutofahrerInnen sich in ihren Blechkisten über den Stau ärgerten, bekamen sie von den Aktionisten Kaffee, Tee und Informationen über die politischen Forderungen der Gruppen. Heute laden die UWS um 9Uhr zu einem Gegenempfang auf dem Hammarskjöldplatz ein. Christel Blanke