panisch lernen mit Caramba

Wie Sprachreisen zum unvergeßlichen Erlebnis werden

VONLUITGARDKOCH

Eigentlich ist es ja inzwischen schon fast überflüssig, zum Reisen in ferne Länder auch die fremde Sprache zu verstehen. Hilfreiche Schilder wie „Nur hier gibt es orginal Bratwurst Pommesfrites“ finden sich schließlich nicht nur entlang der italienischen Adria. Aber weil frau ja partout nicht auf den Spuren von Neckermann und Co wandeln will und da ja auch noch dieser Slogan vom „Sanften Tourismus“ im Hinterkopf rumspukt, fasziniert ein Sprachkurs in einem spanischen Bergdorf viel mehr. Daß das „kleine, vom Tourismus unberührte Dorf“, hinter einer ständig kokelnden Müllkippe liegt, das Mittelmeer eben längst nicht mehr azurblau und klar ist und die Spanier das Wort Ökologie noch nicht ganz verstanden haben, kann ja nicht die Schuld des Veranstalters sein, oder?

„Lernen, Sprechen, Erleben“, versprach der Prospekt. Daß ich bei diesem Sprachkurs nichts gelernt hätte, das kann tatsächlich niemand behaupten. „Me reina por la cafe“. Allein dieser Satz hat sich mir unauslöschlich eingeprägt. Wie oft hab' ich ihn beim Frühstück, angesichts der dünnen Brühe in meiner Tasse gemurmelt, und mir danach auf dem Campingkocher im großangelegten „Küchensalon“ meinen Kaffee selbst gebraut. Da ja bekanntlich nichts umsonst ist und selbst der Tod das Leben kostet, war natürlich auch der Gasverbrauch zu bezahlen. Aber genau das ist sie eben, die ganzheitliche Methode beim Sprachunterricht. Vor allem der geballte muttersprachliche Unterricht, die beiden jungen spanischen „professores“ konnten zum Glück kein Wort Deutsch, war einfach besser als jede „Superlearning-Methode“. Besonders lehrreich war es, wieder einmal festzustellen, daß die althergebrachten pädagogischen Maßnahmen einfach unschlagbar sind. Wenn der Veranstalter beim Unterricht sein „Caramba, hast du's immer noch nicht kapiert“, losließ, konnte der Motivationsschub einfach nicht ausbleiben.

Avanti dilettanti

„Ein wichtiger Bestandteil der Kultur ist das Essen“, wurde ja bereits im Prospekt betont. Wer sich also seinen Kaffee selber kocht, kommt unausweichlich mit der Kultur des Landes in Berührung. Insbesondere die Eßkultur der Südspanier ist mir nun kein Geheimnis mehr. Jetzt weiß ich aus zuverlässiger Quelle, daß der Andalusier immer altes Weißbrot frühstückt. Ebenso habe ich gelernt was „andalusisch-einfach“ heißt — ganz einfach: Zum Schlafen legt sich der durchtrainierte Andalusier auf zerknautschte Schaumstoffmatratzen mit Spanplatten drunter und träumt dann glücklich in ziemlich finsteren Gemächern, die eben den „andalusischen Charakter des Hauses“ ausmachen.

Zum Erleben gab es mehr als genug. Allein eine Fahrt zum Strand war für jeden Schnüffler ein Ereignis. Aromatische Benzindämpfe im alterschwachen Bus, während er die Serpentinen entlangschlingerte, waren im lumpigen Fahrpreis von 300 Peseten inbegriffen. Nach dem altbewährtem Sponti-Motto „Avanti dilettanti“ — was dem Italiener recht ist, ist dem Spanier billig — war der TüV für dieses „Strandtaxi“, so hieß das Vehikel im Prospekt, bereits seit einem Jahr abgelaufen. Wer nach Spanien fährt, sollte schließlich auch die arnachistische Tradition dieses Landes kennenlernen. Nur kleinbürgerliche Spießer können da nach der Unfallversicherung fragen. Wie fahrtüchtig der Bus war, zeigte sich jedoch erst, als er nachts nach dem im Kurs inbegriffenen Paella-Abschiedsessen im Nachbardorf die unbefestigte Bergstrecke entlangpeste. Vor allem die kleine Einlage, als der Bus kurz vor'm Abgrund hielt, war nicht nur ein Beweis, daß die Bremsen voll funktionieren, sondern hätte jedem Survivaltraining Ehre gemacht. Allein dafür hätte der Veranstalter, ein spanischer Grande, locker einen Aufpreis verlangen können. Und wieder konnte ich dazulernen über Sitte und Brauchtum: zu den Tugenden eines spanischen Grande gehört eben Großzügigkeit.

Zwischen Prospektanspruch und -wirklichkeit

Was ich leider schon kannte, war der schwierige Prozeß, Gruppenentscheidungen herbeizuführen. Doch auch hier kann es freilich nichts schaden, wenn frau mal wieder so richtig integriert im Gruppenprozeß, alte WG-Erfahrungen auffrischt. Sobald an der Tafel in der Küche zum erstenmal stand: „Wer hier gekocht hat, soll auch wieder saubermachen“, war das Gefühl endlich in der Fremde heimisch zu werden, wie von selbst vorhanden. Aber auch „solidarisches Handeln“ war im Trainingsprogramm des Kurses in vielfältiger Weise ohne Aufschlag und ohne, daß dies extra erwähnt worden wäre, inbegriffen. „Nehmt doch mal die Apparate da und kehrt“, bat beispielsweise der Grande und schon konnte frau sich erleben, wie sie gemeinsam mit den anderen Sprachschülern emsig den mediterranen Garten des Grande fegte. Was Besen auf spanisch heißt, hab ich leider vergessen. Auch bin ich mir nicht mehr sicher, ob ich beim Kehren nicht eine Stimme hörte, die eindringlich flüsterte: „Nimm den Besen, vergiß wie du heißt und was du bezahlt hast“. Wahrscheinlich war die Hitze daran schuld, daß ich mir sowas Dummes einbildete.

Mit den drei im Prospekt angekündigten Segelbooten war das leider auch so eine Sache. Aus den dreien wurde, oh wunderbarer Schrumpfungsprozeß, eins und auch das hatte seine Tücken. Eine ungeschickte Sprachschülerin soll sich nämlich beim Segeln ein blaues Auge geholt haben. Ungeschickterweise, so die Überlieferung, hat sie dabei auch gleich den Mast umgeknickt. Aber um Spanisch zu lernen, ist Segeln und Surfen — auch Surfbretter wurden im Prospekt angeboten - schließlich nicht besonders hilfreich, oder? Was es heißt, mitten drin im Spannungsfeld zwischen Prospektanspruch und -wirklichkeit aus dem Vollem zu schöpfen, konnte frau anhand dieses wunderbaren Beispiels eigentlich nicht anschaulicher demonstriert werden. Der Veranstalter jedenfalls beherrschte diesen Drahtseilakt perfekt. Dafür waren ihm nicht nur seine Sprachschüler dankbar, die er so herrlich poetische Sätze wie „sie hat mir bös gekuckt“ oder „ich habe an die Papa der Vögel schlecht gedacht“ übersetzen ließ, sondern auch sein Geburtsort. Schließlich beschäftigte er über seine Sprachschule fast das halbe Dorf und das bei einer Arbeitslosigkeit von über 50 Prozent in Andalusien. Ob der junge Spanier Pepe, der das Begleitprogramm zu organisieren hatte oder sein Vater, der mit den Sprachschülern auf Kräutertrour ging, oder die Frauen aus dem Ort, die einmal pro Woche die „Academia“ putzen und für die Schüler kochen durften — für alle war gesorgt. Eines jedoch habe ich nicht verstanden: Wie bei soviel Geschäftssinn die einstmals reiche Familie des Grande verarmen konnte. Wahrscheinlich liegt es daran, daß damals noch keiner die Segnungen der Alternativ-Wirtschaft kannte.

Qualifikationsrichtlinien

Wer seine Sprachferien partout weniger alternativ verbringen will, der kann sich zum Beispiel an den Fachverband Deutscher Sprachreiseveranstalter (FDSV), Hauptstr. 26, 8751 Stockstadt/Main) wenden. Der Verband hat Qualitätsrichtlinien zur Ausschreibung und Durchführung von Sprachreisen erarbeitet, die, so lobt die Stiftung „Warentest“, „Maßstäbe setzen, wie man sie sich als kritischer Verbraucher nur wünschen kann“. Führende Sprachreiseveranstalter sind Mitglied des FDSV und haben sich verpflichtet, ihre Sprachreisen nach diesen ausgearbeiteten Richtlinien, deren Einhaltung von einem Fachbeirat immer wieder überprüft wird, zu gestalten. Daß es in der Branche auch „schwarze Schafe“ und „Wildwuchs“ gibt, ist nämlich ein offenes Geheimnis. Für fragwürdig hält James Swift vom Münchner FDSV- Büro bereits Freizeitangebote bei Sprachkursen, wenn es im Prospekt heißt, „die Veranstaltung wird nur bei einer Mindestanzahl von Teilnehmern durchgeführt“. Auch die rechtliche Seite ist nach wie vor problematisch. Eigentlich ist der Anbieter nach deutschem Reiserecht für mangelhafte Leistungen haftbar, sobald er nur zwei Leistungen, wie etwa Anfahrt und Unterricht zum Pauschalpreis offeriert. Mit der Behauptung, sie seien nur „Vermittler“, nicht jedoch „Veranstalter“, versuchen sich selbst große Sprachreiseveranstalter aus der Affäre zu ziehen. Völlig aussichtslos, Leistungen einzuklagen oder zu beanstanden, wird's jedoch, wenn wie im obengenannten Beispiel, der Veranstalter sein „Gewerbe“, also die Sprachschule, im jeweiligen Ausland, in diesem Fall Spanien, angemeldet hat.

Informative Marktübersicht

„Alles über Sprachreisen“ mit ausführlichen Daten und vertragsrechtlichen Aspekten verschickt gegen eine Schutzgebühr von 13 D-Mark auch der gemeinnützige Verein Aktion Bildungsinformation e. V. (ABI) Postfach 686, 7000 Stuttgart 1. Beim Starnberger Studentenkreis für Tourismus (Dampfschiffahrtsstraße 2, 8130 Starnberg) erhält man gegen eine D-Mark das Faltblatt „Internationale Begegnungen“ und eine „Checkliste für Sprachkursteilnehmer“.