„Es ging um den Bau eines neuen Kanals“

Ex-Sicherheitschef des gestürzten panamaischen Generals Noriega packt aus Bevor Gaitán Mitte September untertauchte, gab er einige Informationen preis  ■ Von Helmut Scheben

Er ist 35 Jahre alt, hat eine Ausbildung in argentinischen Militärschulen hinter sich und war ein paar Jahre Sicherheitschef des panamaischen Generals Manuel Antonio Noriega, bevor dieser im Dezember 1989 durch einen militärischen Überfall der USA entmachtet und gefangen wurde. Eliecer Gaitán kam persönlich für Noriega aus seinem Versteck in die Vatikanbotschaft, um ihn vor den US-Truppen in Sicherheit zu bringen. Noriega ergab sich, Gaitán hingegen hielt sich bis Mitte September in der Nuntiatur versteckt. Die Nordamerikaner bekämen ihn zu gerne zu packen, um ihn zu neutralisieren oder als Kronzeugen gegen Noriega aufzubauen. Denn Gaitán weiß viel, was Washington schaden kann. Bevor er untertauchte, gab er der spanischen Tageszeitung 'El Pais‘ (23.9.1990) in einem längeren Interview einige überraschende Informationen. Demzufolge ging es dem CIA nicht um die Drogengeschäfte Noriegas. Gaitán: „Die Drogen interessieren sie (den CIA) nicht; sie haben ihn zehn Jahre lang ohne Probleme groß werden lassen. Und sie freuten sich, als er an die Macht kam, damals wußte niemand besser als sie, der CIA, wieweit Noriega mit ihnen verbunden war.“ Noriega wurde auch nicht wegen seiner Verbindungen zu Pablo Escobar, dem Chef des Kartells von Medellin, gestürzt, behauptet Gaitán: „Wenn die Verbindung mit Escobar bewiesen wäre, hätten sie ihm längst den Prozeß gemacht. [...] Noriega wäre nicht so dumm gewesen, in ein Drogenkartell einzusteigen. Meine Meinung ist, daß die Millionen Noriegas — ich weiß nicht, ob es soviele sind, wie gesagt wird, aber selbstverständlich dürfte ein ehrenhafter Militär sie nicht haben, — daß diese Millionen nicht aus dem Drogenhandel stammen. Noriegas Schuld besteht darin, daß er gewisse Operationen und das Geldwaschen geduldet hat.“

Was war dann der wirkliche Konflikt zwischen den USA und Noriega? Was hat den Bruch verursacht? Gaitán zufolge war der Fall Noriega eine Auseinandersetzung zwischen dem CIA (der Noriega lange Zeit als Informanten halten wollten) und gewissen Geschäftsleuten und ihrer Lobby in der US-Politik: „Es hat angefangen mit den Interessen bestimmter US-Senatoren und dem Panamaer Gabriel Lewis Galindo, der einmal Botschafter in den USA war. Ein Senator namens D'Amato, der einer Wirtschaftsgruppe angehört, die Interessen in Panama haben. Sie bauen die Ölpipeline vom Atlantik zum Pazifik. Lewis Galindo ist unter Torrijos, Faredes und Noriega Millionär geworden; er bekam alle Aufträge für die großen Wirtschaftsprojekte in Panama, zum Beispiel die Infrastruktur, die mit Geldern des IWF und der Weltbank gebaut wird. Dieser Mann hat eine Lobby, zu der auch einige Senatoren, darunter D'Amato, gehören. Der Kampf beginnt mit dem Projekt, einen Kanal auf Meereshöhe zu bauen, ein Bauwerk, das Jahre dauern wird und so groß ist, wie der erste Kanal. Noriega erteilt den Auftrag für eine erste Studie den Japanern und schaltet Lewis aus. In diesem Moment beginnen Lewis und seine Freunde eine Strategie zu entwerfen, um Noriega fertig zu machen. Der CIA übt unterdessen Druck zugunsten von Noriega aus. Dieser Kampf dauert lange Zeit, und am Ende gewinnen ihn die Politiker. Jetzt heißt es, Lewis sei der Mann, der die Demokratie nach Panama gebracht habe.“

Brauchte der CIA Noriega wegen seiner Unterstützung der Contras in Zentralamerika? Gaitan: „Noriega gab Oliver North bei weitem nicht alles, was er in Bezug auf die nicaraguanische Contra wollte. Noriega war geschickt genug, um so zu tun, als täte er viel [für die Contra, Red.] und in Wirklichkeit tat er nichts. Noriega unterstützte die Sandinisten weitaus mehr als die Contra.“ Gaitán glaubt, daß Noriega „im letzten Moment vom CIA betrogen wurde“, und daß er „bis zum letzten Moment, auf höchster Ebene mit dem CIA Kontakt hatte“. Gaitán denkt, daß die Bilder von jubelnden PanamaerInnen, die die einmarschierenden US- Soldaten begrüßen, ein falsches Bild von der wirklichen Lage gegeben haben. „Von denen, die dort jubelten, gehören viele zu den zehn Familien, die jetzt wieder das Sagen haben.“ Nach Ansicht Gaitáns wäre die einzig richtige Haltung Noriegas der Kampf oder wenigstens der Selbstmord gewesen. In der Nuntiatur sah er dann bald, daß Noriega dazu nicht bereit war. „Ich hätte das Ende ändern können!“ Er hätte Noriega umbringen müssen, aber: „Wenn ich ihn töte, mache ich einen Heiligen aus ihm, aber ich gehe zur Hölle. Wer hätte mir denn geglaubt, daß ich es für mein Land tue? Man hätte gedacht, daß ich mich von den Gringos hätte kaufen lassen.“