Behörde trennt Familie

■ Asylbewerber: Karlsruher Abschiebebehörde greift hart durch

Kehl (taz) — Der im Grundgesetz verbriefte besondere Schutz der Familie gilt offenbar nicht für abgelehnte Asylbewerber in Baden- Württemberg. Das zeigt das Beispiel der tunesisch-libanesischen Familie Mastouri: Die Kinder im Alter von acht, sieben und fünf Jahren wurden von der Polizei aus Schule und Kindergarten geholt. Das jüngste Kind, noch nicht ganz ein Jahr alt, wurde den Eltern weggenommen und ab ging's mit dem Vater nach Tunesien. Die libanesische Mutter darf in der Bundesrepublik bleiben. Ohne ihre Familie ist das Angebot nicht gerade verlockend.

Die Zentrale Abschiebebehörde in Karlsruhe läßt sich nicht erweichen: Die Asylanträge des Vaters und der vier Kinder waren rechtskräftig abgelehnt, das Verwaltungsgericht in Karlsruhe hatte keine Bedenken und lehnte den Antrag auf Abschiebungsstopp mündlich ab. „Als ich letzten Freitag von der Abschiebeaktion erfuhr, war Herr Mastouri bereits in Haft und die Kinder im Keller bei der Polizei eingesperrt“, sagt Joachim Sandhaas, Sozialarbeiter und Geschäftsführer des Charitas-Verbandes in Kehl. Unfaßbar für ihn ist die gnadenlose Praxis der Karlsruher Abschiebebehörde. „Mein Vorwurf ist, daß ohne Rücksicht auf Verluste eine Familie auseinandergerissen wurde.“ Die libanesische Mutter durfte nach Tunesien nicht mitreisen, weil sie dafür ein Visum braucht. Argument der Abschiebebehörde: Die Familie hätte sich auf die Abschiebung vorbereiten müssen und schon vorher ein Visum für die Libanesin beantragen sollen.

Die Abschiebepraxis ist Ergebnis der restriktiven Asylpolitik Lothar Späts. Die Zentrale Abschiebebehörde arbeitet völlig anonym, im Gegensatz zu den kommunalen Ausländerbehörden, die die Familien meist wenigstens persönlich kannten und je nach Fall über die Abschiebung entscheiden konnten. Unter dem Deckmantel „Vereinheitlichung der Abschiebepraxis“ wurde die Baden- Württemberger Behörde eingerichtet, Hessen und Rheinland-Pfalz zogen nach. Die Behörde hatte die Aufgabe, die klaffende Lücke zwischen 95 Prozent der abgelehnten Asylanträge und 30 Prozent Abschiebungen zu schließen. „Letztes Jahr hat die Behörde noch nicht so richtig funktioniert“, beurteilt Sandhaas die Situation. „Aber die haben Druck aus dem Stuttgarter Innenministerium gekriegt und müssen jetzt höhere Abschiebungszahlen vorweisen.“ Dabei sei, so Sandhaas, die „Abschiebungs-Lücke“ einfach durch die Gültigkeit der Genfer Flüchtlingskonvention zu erklären. In seiner Umgebung sei die Familie Mastouri kein Einzelfall, meist hole die Polizei die Asylbewerber nachts aus den Betten.

Auch Rechtsanwalt Gert Müller aus Karlsruhe, der die Familie vertreten hat, hat vier oder fünf Mandanten, die über Nacht das Land verlassen mußten. „Seit diesem Sommer wird in Baden-Württemberg sehr hart durchgegriffen“, so Müller. Überraschende Härte legte die Abschiebebehörde allerdings im Fall Mastouri an den Tag: „Wir haben doch damit gerechnet, daß man wenigstens die Kinder bei der Mutter läßt“, sagt Müller dazu.

Fünf Jahre lebte die Familie Mastouri in der Bundesrepublik und wartete auf Asyl. Unbegreifliche Härte auch, weil Familienvater Mastouri seit 1969 nicht mehr in Tunesien war. Matouri lebte 15 Jahre im Libanon, bevor die Familie vor dem Bürgerkrieg floh und in die Bundesrepublik kam. Baden-Württemberg prescht vor. Nichts Neues, aber dieses Mal ging's daneben. Karin Mayer