Ab heute im Cinema: „Die Piratenbraut“
■ Fröhlich feministisch
Das feministische Lied der kleinen Hure, die es zuwege bringt, sich an den doppelmoralischen Honoratioren in der französischen Provinz zu rächen — es wurde vor 21 Jahren mit diesem Film gesungen und in Venedig mit dem „Goldenen Löwen“ preisgekrönt. Damals, 1969, wahrscheinlich auch eine demonstrative Jury-Entscheidung für Nelly Kaplans burleske Phantasie, mit der sie in jener prüden Zeit eine raffiniert-erpresserische Dorfhure zur Heldin machte, die sich an geilen Böcken rächt und gänzlich ungeschoren wegkommt, das Chaos hinterlassend.
Verlogen und dämlich stehen die Männer da: der Apotheker, Briefträger, Krämer, der Pfarrer und auch die lesbische Großbäuerin. Sie alle verfangen sich im Netz ihrer sexuellen Gier, wähnen sich an Schlauheit und Moral der Hure überlegen und glauben, sie hätten das Mädchen in der Hand, während Marie mit zielstrebiger Raffinesse das Ausbeutungsverhältnis umkehrt und ihre zahlenden Kunden erpresst, bloßstellt und aufeinanderhetzt. Es gelingt ihr mit einfachsten Mitteln, und man sieht ihr genüßlich dabei zu, obwohl der Film die Naivität der Dörfler in manchen Szenen übertreibt und Marie das Spiel zu leicht macht. Immerhin sind die Männer ja brutal genug, den Fahrerflucht-Unfalltod von Maries Mutter zu vertuschen oder Maries Ziege zu erschießen — wieso sollten sie sich dann so lange ohne handfeste Gegenwehr Maries unverblümte Gemeinheiten bieten lassen? So ganz will das nicht zueinander passen und wirkt in manchen Szenen sehr treuherzig ausgedacht. Aber die frühfeministische, spielerische Fröhlichkeit entschädigt für so viel Naivität.
La Fiancee du Pirate heißt dieser Film, der dem Voyeur nichts, überaupt nichts bietet und trotzdem damals im deutschen Verleih unter dem Porno-Titel Moneten fürs Kätzchen lief. Jetzt zeigt ihn das Kommunalkino, wie es sich gehört, unter dem Titel Die Piratenbraut, und Helke Sander wird heute abend um 18.45 im Cinema Einführendes zum Film erzählen. Sybille Simon-Zülch
Montag bis Donnerstag, 18.45.
