„Wir akzeptieren den Papst nicht“

■ Der indische Metropolit Mar Gregorius über westliche Ignoranz und Probleme der Zweidrittel-Welt

Paulos Mar Gregorius, Metropolit der syrisch-orthodoxen Kirche in Indien und einer der Präsidenten des Weltkirchenrates, war als Gast des Ökumenischen Kirchentages (vgl. S.21) in Bremen.

taz: Wie kam die syrisch-orthodoxe Religion nach Indien?

Mar Gregorius: Vermutlich im Jahr 52 nach Christus ging der Apostel Thomas nach Indien. Er begründete dort viele Kirchen und starb als Märthyrer. Die syrisch-orthodoxe Kirche im heutigen Indien ist eine kleine Kirche mit etwa zwei Millionen Mitgliedern, aber eine blühende, lebendige Kirche mit einer gut ausgebildeten Geistlichkeit.

Die Hauptreligion in Indien, der Hinduismus, umfaßt zur Zeit dagegen etwa 700 Millionen Gläubige.

Wie sind die Beziehungen ihrer Kirche zu den anderen Religionsgruppen?

Es gibt selten Konflikte zwischen Christen und Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften. Wir als Christen sind keine gewalttätige oder kämpfende Religion. Wir sind eine Minderheit, aber wir respektieren das Gesetz. Teilweise werden wir durch das Gesetz benachteiligt. Christen haben zu bestimmten Berufen keinen Zugang, sind ausgeschlossen von bestimmten Konzessionen und erhalten kein Schulgeld. Insofern ist das Gesetz ungerecht. Wir bemühen uns, das zu ändern. Aber sonst haben wir keinen Grund zur Klage. Wir werden als Minorität behandelt und respektiert.

Was ist der wesentliche Unterschied zwischen ihrer Kirche und dem Katholizismus?

Wir akzeptieren den Papst nicht. Wir haben uns noch nie in der Geschichte dem Papst unterstellt. Die Katholiken haben ihre eigenen Dogmen, ihre eigenen Gremien. Wir akzeptieren uns gegenseitig nicht. Das kann sich ändern, wenn der Papst nicht mehr für sich beansprucht, das universelle Oberhaupt der Kirche zu sein. Dann können wir Beziehungen zu einander aufnehmen.

Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen dem westlich geprägten und dem asiatischen Christentum?

Europa hat die afrikanischen und asiatischen Formen des Christentums vernachlässigt, hat sie unterdrückt, hat versucht, ihre Gemeinschaft zu zerstören, deren Mitglieder neu zu bekehren, zu konvertieren, durch Zwang oder durch Geld. Beide, Katholiken und Protestanten haben das getan.

Wir haben unsere eigene Tradition, die nicht von Europa kommt, sondern aus Palästina, von Jesus und den Aposteln.

Sie sind einer der sieben Präsidenten des Weltkirchenrates. Welches Gewicht haben dort die Vertreter der „Zweidrittel-Welt“?

Bis 1950/60 war der Weltkirchenrat in erster Linie ein transatlantisches Bündnis. Aber nach 1960 schlossen sich neue, unabhängige Länder dem Rat an. Wir waren, ebenso wie Äthiopien und Griechenland, von Anfang an Mitglied, aber wir hatten keine Macht, wir standen am Rande. Der Rat wurde vom Westen geführt. Aber seit 1961 wurde der Zweidrittel-Welt etwas mehr Bedeutung beigemessen.

Und jetzt haben wir einen Latein-Amerikaner als Generalsekretär und einer der stellvertretenden Generalsekretäre ist aus Afrika, eine Frau. So hat sich die Situation langsam geändert. Aber die Organisation ist immer noch westlich dominiert. Der Westen gibt das Geld und hat deshalb immer noch mehr Einfluß auf Entscheidungen über die Politik und über Ernennungen. Auch wenn ich einer der sieben Präsidenten bin, bedeutet das nicht viel Macht. Es ist mehr symbolisch.

Es hat in Indien in jüngster Zeit harte Auseinandersetzungen um soziale Verbesserungen für die unteren Kasten gegeben. Wie beurteilen Sie die Situation?

Es geht nicht wirklich um wirtschaftliche und soziale Verbesserungen für die unteren Kasten. Es ist ein politischer Konflikt. Es geht darum, daß der indische Premierminister die konservativ- hinduistische BJP-Partei aus dem Parlament drängen will. Deshalb versucht er, Stimmen von Hindus aus den unteren Kasten zu bekommen, indem er verspricht, ihnen Privilegien zu geben wie den Zugang zu Berufen, die bislang der oberen Kaste vorbehalten waren. Der oberste Gerichtshof hat diese Privilegien jetzt als illegal bezeichnet. Sie werden also nicht gewährt.

Das ganze war ein Spielball der Politik, der unser Land zerstört, weil er den Haß aufstachelt. Viele Menschen sind wegen dieses Konfliktes gestorben, aber die Lage wird sich wieder beruhigen.

Wir haben schwierigere Probleme. Die Hindus und die Moslems erheben Anspruch auf dieselbe heilige Stätte. Die Moslems haben dort eine Moschee und die Hindus wollen um diese Moschee einen Tempel bauen. Das wird unser großer Konflikt werden. Fragen:

Annemarie Struß-v. Poellnitz.