Grüner Abbiegerpfeil bleibt amtlich

■ Auf den Straßen von Ost-Berlin gilt das bundesdeutsche Recht erst ab dem 1. Januar

Berlin. Nicht nur auf dem Promille-, sondern auch auf dem Verkehrssektor bleibt Berlin nach der Vereinigung geteilt. Was viele nicht wissen: Entgegen anderslautenden Ankündigungen gilt im Ostteil einstweilen weiter das Straßenverkehrsrecht der Ex-DDR. Erst ab 1. Januar 1991 wird nach dem Einigungsvertrag auch in Ost-Berlin die bundesrepublikanische Straßenverkehrsordnung (StVO) übernommen. Das bestätigte der Sprecher der Senatsverkehrsverwaltung, Siegfried Keiluweit. Unglücklicherweise seien durch die falschen Berichte einiger Medien »Irritationen« entstanden.

Tatsächlich war es zuvörderst Verkehrssenator Wagner, der zu den Irritationen beitrug. Der Senator hatte voreilig verkündet, daß schon mit dem 3. Oktober für die OstberlinerInnen das neue Verkehrsrecht in Kraft trete. Mit dem Stichtag werde beispielsweise der an Ampeln angebrachte grüne Pfeil, der grundsätzlich das Rechtsabbiegen bei Rot gestattet, verschwinden, erklärte Wagner. Und auch sein Presseprecher dachte nicht daran, diesen Irrtum richtigzustellen. Keiluweit: »Erst in der letzten Woche bin ich auf die Umstände gestoßen. Ich dachte mir, wenn es mir gelänge, das nicht weiter an die große Glocke zu hängen, und so zu tun, als ob in Ost-Berlin die westdeutsche StVO schon gilt, ist das für niemanden zum Schaden.«

Das mag, abgesehen von der 0,0-Promille-Grenze, teilweise zutreffen. Die Straßenverkehrsordnung der Ex-DDR schrieb etwa unsinnigerweise vor, daß man nicht auf die linke Fahrspur der Autobahn wechseln darf, um einem einfahrenden Kfz das Einfädeln zu ermöglichen. Immerhin gestatteten die grünen Pfeile nur dann das Rechtsabbiegen, wenn dadurch der Fußgänger- und Fahrzeugverkehr der freigegebenen Verkehrsrichtung nicht gefährdet oder behindert wurde. Von den 800 oft schlicht auf Pappe gemalten Pfeilen sind in Ost-Berlin noch etliche Exemplare vorhanden.

Der Straßenbahn jedoch war (und ist) in jedem Fall Vorfahrt zu gewähren. Auch diese wünschenswertee Bevorzugung des öffentlichen Personennahverkehrs wird mit Übernahme der West-StVO zwangsläufig wegfallen: Die Tram hat danach abweichend von der Regel »rechts vor links« nur dann Vorfahrt, wenn sie eine Mittelinsel überquert und das zeichen »Vorfahrt gewähren« mit einem darüber befindlichen Symbol der Straßenbahn aufgestellt ist. Weil Landesrecht nicht Bundesrecht brechen könne, sah der Sprecher des Verkehrssenators für eine Art »Lex Ost-Berlin« zum Erhalt der Straßenbahn-Vorfahrt keine Chance. Daß die BVB wegen der neuen Situation bei der Straßenbahn längere Fahrzeiten einkalkulieren muß, wollte der Sprecher nicht ausschließen. Wenn man ein paar neue Straßenbahn-Ampeln installiere, brauchte das aber nicht zu sein. thok